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Meditation und Massaker

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3005
2012
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Mein Vater war ein guter Mensch. Als die schlechten Noten kamen, gab er mir eine Meditationskassette: Superlearning – lernen im Schlaf. Dieses Ende der füsorglichen Fahnenstange sorgte erstens für schnelles Einschlafen, bewirkte zweitens nichts von dem, was es sollte – und hinterließ mich letztens schon in der Kindheit deutlich Meditations-traumatisiert.

Heute bin ich ein sogenannter Kopfmensch. Das hilft leider kaum beim Schach-spielen, manifestiert sich aber definitiv in einer ausgeprägten Skepsis gegenüber jeglichen nicht logisch begründbaren Schädelwichsereien. Laut Aussage meines letzten Zimmernachbarn – Gott sei seiner Seele gnädig – wirkt manche Meditations-CD auf mich desaströser als eine Mischung aus Crack und Crystal Meth.

Fangen wir mal mit den Namen an. Es gibt für mich keine Autoren, deren Namen ich als gut einstufe. Es gibt bestenfalls ein „neutral“. Hierzu gehören Simonton and Creighton, Thich Naht Hanh, oder auch Rüdiger Dahlke. Andere Meditations-Lehrer fallen alleine wegen ihres Namens durch. „Benedikt XIV“ wirkt etwas zu sehr „von Gottes Gnaden“. Bei anderen Autoren bleibt einzig und allein aufgrund des Namens erlebte Kindheits-Traumata durch Meditations-CDs aufzuarbeiten.

Kriterium zwei: Stimme und Rhythmus. Es gibt Meditations-CDs, die kann man beim Rippen ins MP3-Format dank variabler Bitrate auf 148kB pro CD schrumpfen. Wenn die nasal-lispelnde Stimme des Sprechers unsympathisch genug erscheint, kommen einem auch die Produktionskosten-mindernden endlos-Pausen zwischen dessen sinnbefreiten Wortfetzen wirklich wie reinste Entspannung vor. Mission accommplished.

Der Dialekt des Sprechers ist das einzige, was die Produzenten von Meditaitons-CDs anscheinend schon immer richtig wählten. Zumindest kenne ich keine einzige CD mit sächsischem Sprecher. Leider auch keine bayerische. Aber ich hab schon Wiener Slang gehört. Versteh zwar nicht unbedingt, wie ein „Mei, wia leydig-liab dös Schaferl do üban Zaun hupft“ zur Entspannung beiträgt – aber es wirkt. Mit dezentem Grinsen beim Hörer.

Praktisch jede Meditations-CD arbeitet mit Hintergrundmusik. Barockmusik ist anscheinend die Ultima Ratio musikalischer Geistlosigkeit wenn’s um Meditation geht. Als professioneller Möchtegern-Musiker lege ich großen Wert auf korrekte Lautstärkeverhältnisse: Bei manch billigen Meditations-CDs liegt die Rettung der Großhirnrinde einzig im „schlechten“ Mix von „Hintergrund“musik und „Vordergrund“sprecher begründet: wenn das Gesabbel unhörbar von Musik übertüncht wird, kann’s mir auch nicht schaden. Bei Barockmusik kehren sich die Verhältnisse natürlich dementsprechend um.

Auch die Korrekte Ansprache des Hörers ist wichtig. Ich schwanke hier etwas: lieber das förmliche, aber doch etwas distanzierte „Sie“, oder das warme, nahe „Du“? Es gibt wahrscheinlich keine Universallösung. Die schlechten mögen mir mit einem „Du“ auf den Schlips treten, während die guten mit ihrem unverbindlichen „Sie“ an meine Wahlfreiheit bezüglich Stoptaste appellieren mögen.

Die richtige Meditations-CD finden ist wirklich nicht leicht. Verwirrte Menschen neigen zu radikalen Lösungen. So bin ich mir z.B. recht sicher, dass sich Anders Breivik wirklich keine Audio-Books seines Idioten-Pamphlets hätte aufnehmen sollen. Er hätte es auch garantiert nicht anhören sollen. Die Welt wäre besser.

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Ein Kommentar

  • maichie schreibt am Freitag, 1.6.2012 um 15:30 Uhr:

    meditation auf der richtigen grundlage kann absolut was entspannendes haben… ich empfehle dir (wenn du s nich eh schon kennst…): möglichst alle 80 folgen „neues vom känguru“ von mark-uwe kling am stück!
    als appetitanreger schon mal das: http://youtu.be/xXTFLlwlBZg
    viel spaß! (lachen soll ohnehin gesund sein.)
    michi

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