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50 kn @ Cuesta Del Viento

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1601
2018
Di
23:33
Tag
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Poetische Orte sind schwer zu erreichen. Für die Anreise nach Cuesta Del Viento benötige ich 33 Stunden, vier Busse und einen lieben motorisierten Local. Ich komme im wunderbaren Hippie-Hostel Lamaral in der Mitte von Nirgendwo an. Die Mitte liegt kurz vor der Chilenischen Grenze. Ihr Name bedeutet „Anstieg des Windes“. Die stärksten Winde Argentiniens blasen hier jeden Tag mit 25 bis 50 Knoten über den gerade mal 20 Jahre alten Stausee.

Der Jefe persönlich macht mir das Bett in der einfachen Unterkunft. Danach drückt er mir ein Bier in die Hand. Kaum ist das mit meinem Steirischen Zimmernachbarn geleert, zieht die gesamte bunte Bande zum Abendessen ins nächste Restaurant. Die Feier geht lang. Sterne schnuppen, Wein glüht, Gitarren klampfen und Dübel halten Bilder vom Wind an den Wänden.

In Rodeo findet gerade das alljährliche Musik-Festival mit über 6.000 Besuchern statt. Ich schaffe es ob den guten Menschen im Hostel trotz Einladung des DJs binnen beiden Tagen kein einziges mal dorthin. Es gibt kein Internet, keine Locker – und nichts fehlt. Der nächste Nachbar wohnt drei Kilometer weiter, der Minimarkt ist sechs Kilometer entfernt, und der nächste große Supermarkt befindet sich 200 km südlich in San Juan. Ohne Auto bist du hier aufgeschmissen wie nie zuvor auf den letzten 15.000 km – aber es gibt stets gute Menschen, die uns überallhin mitnehmen.

Die Paris Dakar zieht am dritten Tag gerade mal 40 km entfernt vorbei. Wir müssten nur auf einige Stunden Wind verzichten. Trüge ich einen derart poetischen Namen wie der Wind hier, wäre ich extrem angepisst, würde man mich trotzdem ignorieren. Also kiten wir. Jeden Tag. Bis zum umfallen.

Am ersten Tag bläst der Wind nach schweren Regenfällen in der Nacht zuvor erst am späten Nachmittag mit gemütlichen 18 Knoten. Ich gehe auf dem 700 m entfernten Privatstrand der Rancho Lamaral mit 13 m² raus und ziehe ein paar gemütliche Runden im Panorama auf 5.000 m hohe schneebedeckte Andengipfel zwischen den in allen Farben des Regenbogens leuchtenden Hängen um den See.

Am nächsten Tag strahlt die Sonne. Die Berge im Norden tragen Wolkenkappen wie der Tafelberg bei Cape Doctor. Beste Zeichen für starken Wind, meint Jefe Manuel – und behält recht. Schon um elf Uhr vormittags blasen wenigstens 20 Knoten sideon auf den drei Kilometer im Lee gelegenen Haupt-Kitespot Zé Pequeno. Mit meinem Steirer Kiter-Freund bin ich sofort draußen. Zum aufbauen gibt es genug Platz und ein paar Plastikmatten. Im Luv hängen ein paar fiese alte Wurzeln und Äste, in denen sich gerne Leinen verfangen. Im Lee wachsen kleine Stachel-Büsche. Der Einstieg ist lehmig und glatt wie Eis. Sonst ist alles top.

Der Wind bläst gewaltig an der Cuesta Del Viento. Auf dem See legt er nochmal um fünf bis zehn Knoten zu. Im Laufe des Nachmittags wird er in der Regel immer stärker und bockiger. An manchen Tagen schwankt der Wind binnen einer Minute um 20 Knoten. Gegen 17:00 Uhr erreicht er meist seinen Zenith. Der liegt dann gerne mal bei 35 bis 50 Knoten. Drei Tage lang habe ich Glück. Der Wind bläst nie mit mehr als gemessenen 40 Knoten – zumindest bis wir uns wegen zuviel Wind nach ein paar Stunden Kiten am späten Nachmittag schleichen. Meinen 9er Rallye fahre ich bis 38 Knoten Spitze. Dann wird der Bodenkontakt voll depowert eher Mangelware – und ich gehe raus.

Am dritten Tag kachelt der Wind gleich von Anfang an mit gemessenen 25 bis 35 Knoten. Wir reiten die heftigen Windwellen, bis der Wind definitiv mit Spitzen von knapp 40 Knoten zuviel für meinen kleinsten Kite wird. Die GoPro hängt im Kite meines Zimmernachbarn. Ein Crash im starken Wind zerbricht die Halterung. Das letzte, was wir von meiner zweiten GoPro binnen zwei Jahren zu sehen bekommen ist ein Cut im Tuch meines Zimmernachbarn. Darauf kommt’s auch nicht mehr an. Es ging schon so viel kaputt auf unseren Reisen, und so viel verloren. Nur um die Big Air Videos in mehr als 30 Knoten tut’s uns leid.

Cuesta Del Viento ist schwer thermisch, ähnlich dem Luftlinie gerade mal 200 km westlich entfernt in Chile gelegenen Embalse Puclaro. Kurz vor der Passhöhe auf 4.500 m fehlten mir vor gut einem Monat nur noch zwei Stunden bis hierher. Zwei Motorradfahrer schaffen den Pass von Chile kommend. Ein Radfahrer erfriert beinahe im frischen Schnee in die andere Richtung. Ich Chile bläst der thermische Wind bergauf nach Osten. In Argentinien bläst er bergauf nach Westen. Irgendwo da oben zwischen den weissen Schneemassen muss ein schwarzes Loch liegen…

Der letzte Tag verabschiedet uns die Cuesta Del Viento mit Sturm. Kiteboards heben ab. Anfänger verzweifeln. Drachen sterben. Locals, ein Österreicher, und ein Bayer grinsen, obwohl die am Strand gemessenen 40 bis 52 Knoten für unsere Kitegrößen einfach unkitebar sind. Auf einem großes Asado am letzten Abend stopfen wir uns nochmal so richtig mit bestem Fleisch und Fisch in Unmengen voll. Der Weg hierher war schwer – und jeden Meter wert. Ich ziehe mit insgesamt 15 Kite-Tagen glücklich weiter zu den letzten Zielen einer großen Reise.

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2 Kommentare

  • Rainer schreibt am Sonntag, 4.2.2018 um 0:43 Uhr:

    Hallo Frank!
    Anscheinend bist du schon wohlbehalten zuhause angekommen.
    Ich war inzwischen schon in Bariloche zum kiten. Wind war einmal gut für den 9er
    und eine entspannte Flachwassersession mit dem 12er. Das Wasser: genau so kalt wie es blau ist, und mit meinem 3mm Neo grenzwertig :-)

    Liebe Grüße,
    dein Steirischer Zimmernachbar

    p.s.: Sorry wegen der Gopro

  • ff-webdesigner schreibt am Sonntag, 4.2.2018 um 14:18 Uhr:

    Ja freut mich wennsd rausgekommen bist Rainer! Lass krachen und such weiter die guten Spots! Check ggf. mal https://www.google.de/maps/@-41.2536295,-72.9997923,672m/data=!3m1!1e3 und Chiloé!

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