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Barra Grande

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2013
Fr
23:15
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Wir fahren geschlagene fünf Stunden von Ilha do Guajirú nach Barra Gande – satte 350 km weit und zum Teil über Schotterpisten durch die tiefste Pampa. Sowohl Google als auch Open Street Map gaben diese Route aus, Locals wiesen uns den gleichen Weg. Dass wir uns leicht ein Drittel des Weges durch die neue Straße zwischen Jijioca und Granja hätten sparen können erfahren wir erst einen Tag später.

Barra Grande ist wegen eines nationalen Feiertages fast komplett ausgebucht. Sogar bescheidene Privatzimmer ohne Türe kosten mal schnell für Brasilianische Verhältnisse astronomische 40 € die Nacht. Also buchen wir uns für 10 € mehr gleich in ein richtig feines Luxusresort ein. Das Haus ist pure Hippiekunst, jeder Tisch ein Gemälde aus behutsam bearbeitetem Massivholz. Nach der Fahrt sind wir erst mal platt.

Am nächsten Tag sind wir daher früh draussen. Mitten zum Tiefststand der Ebbe starten wir von einer der Ortschaft vorgelagerten Sandbank unseren zweieinhalb Kilometer weiten Downwinder Richtung Kitespot. Der Kitespot in Barra Grande ist eine große mangrovengesäumte Lagune hinter einer langen Sandbank. Von der großen Sandbank zweigen zahlreiche kleine Sandbänke senkrecht ins Meer ab. Bei Ebbe überlaufen wir einige, fahren weiter und gehen schliesslich über die große Sandbank mit den Kites im Himmel 200 m auf die andere Seite Richtung Lagune.

Die Gezeiten unterscheiden sich in Barra Grande um satte zwei Meter. Die Lagune ist bis auf eine Pfütze in der Mitte völlig leer. Wir waten einige Meter durch den Matsch Richtung Pfütze, da rennt aufeinmal ein laut schreiender Fischer auf uns zu und fuchtelt aggresiv mit einem großen Messer. Kiten ist hier nicht verboten, aber manche mögen es anscheinend trotzdem nicht. Wir flüchten uns ins Meer und fahren erst am Ende der Sandbank wieder in die Flussmündung.

Ians 10er Kite segnet das Alter. Bei einem Wasserstart reisst das Segel großssflächig von der Fronttube ab. Wir teilen uns in der Ebbe meinen Kite und durchkreuzen das Labyrinth der Sandbänke in der Flussmündung. Das Wasser ist alles andere als wie erwartet: kleine steile Kabbelwellen tanzen senkrecht auf dem Meer wie Wasser auf einem Subwoofer. Nur direkt hinter den Sandbänken breitet sich teilweise schönes flaches Wasser aus. Je nach Gezeitenstand strömt das Wasser zwischen ihnen mit bis zu 15km/h. Ian haut ein paar dicke Airs raus, dann organisiert er sich ein Boot zurück über die Flussmündung.

Ich kreuze alleine in mittlerweile 30 Knoten Hackwind zweieinhalb Kilometer über die Lagune mit Kabbelwellen und später das offene Meer zurück nach Barra Grande City. Die See kocht eineinhalb Meter hoch. Die sekundären Sandbänke zaubern jetzt bei Flut immer wieder sehr überraschen und heftig brechende zwei Meter hohe Wellen. Ich verliere zweimal mein Board. Es verschwindet sofort zwischen den Wellen, während mein voll depowerter 9er mich kaum mehr nach Luv bodydraggen lässt. Als ich nach knapp 1,5h am Strand anlande, bin ich nur noch froh. Der Trip war alles andere als Spass: einfach nur sehr anstrengend und gefährlich. Im glühenden Sand hüpfe ich von Schatten zu Schatten zurück in die Pousada.

Der nächste Tag wird nicht viel besser. Bei Ebbe starten wir im von scharfen Steinen durchsetzten Flachwasser vor der BGK Pousada. Nach 30 Minuten ist der 13er viel zu viel. Ich wechsle auf 9 m² – und bin auch damit schon bald zimlich gut angepowert. Die einströmende Flut bringt wieder giftige Kabbelwellen, der Wind bläst mit stark wechselnden um die 26 Knoten. Nach einer Mittagspause hau ich in den dank Flut jetzt ruhigeren Wellen noch ein paar Sprünge unter hunderten Brasilianischen Kurzurlaubern raus und schleich mich dann ins Bett.

Barra Grande bietet einige wirklich sehr schöne und zumeist recht teure Resorts. In der namenlosen Bar gegenüber der BGK Pousada trinke ich etliche der besten Maracuja-Caipirinhas Brasiliens. Das war dann aber auch schon das einzig gute, was ich über Barra Grande sagen kann. Flachwasser? Vergiss es! Die Lagune bockt, und auch zwischen den Sandbänken im Flussdelta kabbelt es meist gewaltig. Der Weg dorthin ist auf jeden Fall lange und entweder beschwerlich mit dem Kite oder 5 € teuer mit dem Eselkarren.

Ich bin Kiter. Und stelle fest: ich mag unsereins nicht mehr. Gerade hier in Barra Grande verkehren ganz viele Kiter mit dem Arroganz deutscher Hochadligkeit, dem Benehmen von Kreuzrittern, der Ignoranz von Koksköpfen und der Hilfsbereitschaft von Hyänen. Sie geben Geld nicht aus, sie schmeissen damit um sich, sie entwerten alles und vor allem jeden und verbrennen einen schönen Ort jede Woche auf’s neue bis nur noch Asche aus Gier und Neid bleibt. Ich bin müde, angepisst und will hier nur noch weg.

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2 Kommentare

  • Ben schreibt am Mittwoch, 4.12.2013 um 10:15 Uhr:

    Hallo
    Ich war 2009 in Barra Grande, schon damals merkte man das sämtliche Pousadas kraftig an der Preisschraube drehen. Ich fand aber die Lagune top, wir konnten damals noch mit dem 4×4 selber bis zuvorderst auf den Sandstreifen fahren. Die Lagune fand ich wirklich toll, Flachwasser und absolut konstanter starker! Wind. Ich wollte eigentlich im 2014 noch mal hin, aber nach deinem Bericht beginne ich zu zweifeln.
    Wie ist die Situation momentan mit dem Kiten im Bereich der Lagune, resp. den vorgelagerten Sandbänken? Hat es viele Kiter? Ist der Zugang zum Lagunenspot nur noch mit dem Eselkarren und kitend möglich?
    Gruss Ben

  • ff-webdesigner schreibt am Mittwoch, 4.12.2013 um 14:19 Uhr:

    Servus Ben, also auf die lange Sandbank zur Flussmündung darf man definitiv nur noch mit Eselkarre. Die dauert knapp ne Stunde und kostet satte 5 Euro pro Person. Kiten geht schneller. Während unserer drei Tage war der Wind meist hammerstark mit bis zu 35 Knoten – der Rückweg übers offene Meer war reines grauen zwecks fiesen grossen Wellen. Auch in der „Lagune“ waren an diesem Tag 50cm Wellen. Mein Tipp: Galinhos oder Ilha do Guajiru. Beides grösser, flacher und deutlich billiger.

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