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Himmel und Hölle

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2013
Sa
23:07
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Wir fahren ein gutes Stück nach Bolonia. An einer überfeierten Piratenbar frage ich die letzte Überlebende. Sie weist gen Strand. Der einzige Surflehrer verweist uns. 5 km Strand, Platz ohne Ende, aber uns Kitern wird das Fliegen verboten. Frustriert kehren wir um. So wie es scheint, gibt es für Kiter in Tarifa nur einen einzigen freien Strand im Umkreis von 30 km, und selbst dort müssen wir uns mit 100 m Alleinherrschaft  begnügen.

Für Kiter heisst es entweder „verboten bei Strafe“ oder aber Valdevaqueros / Spin-Out: Swimmung, Surfing, Kitesurfing – alles zusammen. Ja, es ist Höchstsaison. Ja, der Wind hackt entweder mit 25+ Knoten, oder er luscht wie heute mit Null-Löchern um die 14 rum, unentschlossen, ob er nun Levante oder Poniente genannt werden will. Wie auch immer: er schreit nach Sicherheiten.

Doch der fast schon deutsch anmutende spanische Regulierungswahn versagt hier auf ganzer Linie. Ich rate einem notgeilen Spanier: „I wouldnt’t dare starting right now.“. Aber Macho ist ein Spanisches Wort. „Yes, we’re caught up in the trade winds, the trade winds of our town.“ WTF? Er geht trotzdem raus. Sein Kite schmiert mehr als kritisch mitten zwischen hunderten Hautkrebs-Jüngern ab. Er bleibt nicht der einzige, und heute ist ein milder Tag.

Um die Zukunft vorherzusagen, brauch ich keine Glaskugel. Ohne strikte Trennung in Kiter- / Schwimmer-Bereiche wird Blut fliessen. Sobald sich das Meer rot färbt, brauchen die Massen Schuldige. Die Massen: sind die Hautkrebse. Für uns mit unseren 27m Leinen bis zum Heldentum wird da kein Platz mehr bleiben, selbst in einem Himmel, in dem Zerberus gesandstrahlt wird.

Damit kann ich leben. Aber es tut mir leid für all die guten Menschen, die weder Geld noch Zeit haben, an den Orten zu kiten, an denen Himmel und Hölle noch eine friedliche Koexistenz führen. Wo Engel Beelzebuben locker um kleine Finger wickeln und sich danach genüsslich eine relaxete Lunte legen. Wo die Welt noch eine ist.

Nach einem üppigen Mal auf der Dachterrasse schleiche ich mich Wlan-suchend in die nächste Bar. Das Wlan läuft, aber mein werter neuer Samsung weigert sich selbiges (oder irgendein anderes) zu erkennen. Der Webdesigner ohne Web. Lache! Aber ich finde solche SItuationen fast schon lebensbedrohlich. Mir fehlt Geld, ein Hinweis für die Kunden auf dem AB: OFF DUTY! – aber am allermeisten die Gewissheit: wäre es WIRKLICH nötig wäre, dann KÖNNTE ich was arbeiten. Aber so kann ich nicht.

Ich liefere den Laptop hinter hundert Jahre alten Toren ab. Breche auf in eine wildes Wochenende. Freitag Abend. Tarifa hat ein Zehntel der Einwohner Regensburgs. Aber dreimal mehr Discotheken und Kneipen. Hundert mal mehr Besucher. Himmel und Hölle haben sich hier ganz friedlich arrangiert. Bei uns daheim ist alles nur „Dawn of the Dead“ – wenn du nicht tot bist, dann schleich dich auf den Zentralfriedhof – reiche Städte sind nur für getresste Leichen da!

Der Mojito ist definitiv ein spanisches Getränk. In den hier kredenzten Mischverhältnissen ist er mehr als sättigend. Nach Dominiks frühem Abbruch  besuche ich alleine noch sieben weitere Bars. In der ersten gackern die Hennen. In der zweiten liefern die Barkeeper nüchtern eine bessere Show als Harry Juhnke kurz vor dem Delirium. In der dritten umpft geiler Electro ohne Tanzfläche. In der vierten erhalte ich für die Organsisation frischer Limetten den siebten Mojito umsonst. In der fünften feierte die gemischtgeschlechtliche Besatzung eines Hochseeschiffs offensichtlich ohne irgendeines Abschieds nötig einen mir begreiflichen Grund.

Nach zwei weiteren Bars gehe ich heim. Tarifas Gassen sind eng. Doch auch um fünf Uhr morgens kann ich ihre Wände nicht als Krücken missbrauchen. Ich höre die Worte, ohne sie zu verstehen. Ich lausche Geschichten, ohne sie zu begreifen. Meine Worte dieses Abends? Sieben mal „Un Mojito por favor“. Und diese hier. Der Morgen graut. Ich ziehe nochmal los. Sofort finde ich alle Kneipen wieder. Sie sind zu. Ich: lebe.

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Ein Kommentar

  • Stefan Wehmeier schreibt am Samstag, 25.11.2017 um 8:50 Uhr:

    And they’ll tell you black is really white
    The moon is just the sun at night
    And when you walk in golden halls
    You get to keep the gold that falls

    It’s Heaven and Hell, oh no!

    Fool, fool!
    You’ve got to bleed for the dancer!
    Fool, fool!
    Look for the answer!
    Fool, fool, fool!

    https://www.deweles.de/himmel-und-hoelle.html

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