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Levante Nemesis @ Tarifa

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2023
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Ich bereise seit 24 Jahre mit meinen Kites die Welt. Der Wind ist mein Leben. Unter meinen über 200 besuchten Kitespots in sicher 50 Länder befinden sich einige der bockigsten Starkwindgebiete der Welt: Bayerische Seen vor einer dicken Westfront. Kalpitiya, Sri Lanka. Kapstadt. Die Cuesta del Viento hoch in den Argentinischen Anden. Die Philippinen. Bahia Salinas in Costa Rica. Fiji. Oder River Gorge, Oregon USA.

Ich hatte an all diesen Orten immer wieder mal ein paar Tage zuviel Wind für den kleinsten Kite. 50 Knoten erkennt meine Nase laut Windmesser ziemlich genau. Was wir diesen April einen Monat lang in Tarifa an Levante-Stürmen erleben bläst einfach jedem Fass den Boden aus. Bis zum Ende des Monats werden es wohl > 50% Levante mit 22 bis 52 Knoten Spitze.

Seit gut zwei Wochen sind wir hier. Drei Tage war Flaute. Drei Tage milder Poniente mit maximal 22 Knoten. In einem Meter Welle das Kitefoilen direkt vor der Unterkunft am Los Lances lernen war sehr verlockend, aber dämlich. Bei solchen Bedingungen lernt man nur, dass man nichts lernt. Zum Glück gingen einige Crashs ohne größere Verletzungen aus.

Ich war schon einige Male in Tarifa. Ich kenne seine Winde. Man sagt der starke Ostwind Levante mit seinem Usprung im nahen Afrika halte in der Regel ein paar Tage. Man sagt er sei der seltenere Wind. Viel häufiger wäre der schwächere Westwind Poniente. Man sagt viel. Doch diesen April hackt der Levante einfach nur alle Worte kurz und klein.

Die erste Woche Levante gehe ich nur zwei mal am Valdevaqueros raus. Die bockigen Spitzen um 32 Knoten über schwerem Seegang machen keinen sonderlichen Spass – aber sind kitebar. Über 200 Kiter reißen in den fordernden Bedingungen keine Rekorde. An ein paar zu windigen Raketentagen schaue ich einfach nur Gil Vlugt am Balneario zu. Er ist die aktuelle Nummer eins der Big Air Kite League und haut in Spitzen um 40 Knoten mit ein paar anderen der weltbesten Kiter Double Kiteloop Board Offs über 25 mal 100 m raus. Am laufenden Band. 95kg an sieben Quadratmetern Ocean Rodeo Rise. Wind voll off. No rescue. Purer Wahnsinn.

Im Gewissen, dass jeder Sturm irgendwann nachlässt – und wir ja einen ganzen Monat hier sind – widmen wir uns dem Kultuprogramm. Tarifa Altstadt. Bergfrust in Gibraltar. Begeisterung in Vejer de la Frontera. Die Dünen von Bolonia und Valdevaqueros. Wir haben Zeit. Denke ich. Ich arbeite viel für die Websites neuer Kunden hier.

Zur Halbzeit kündigt sich nach zwei Tagen Flaute schon wieder Levante an – und zwar nonstop bis zu unserer Abreise Ende April. Mit gerade mal vier kurzen Kitetagen in zwei Wochen ändere ich den Plan. Ab sofort werden auch Levante-Bullen geritten. Vor dem Aqua in der Mitte des Los Lances hole ich erst den Zehner raus an den Strand. Pumpe auf. Der Wind geht binnen fünf Minuten zehn Knoten nach oben. Baue ab. Hole den Siebener. Pumpe auf.

Gleich beim ersten Start reisst er mich voll depowert drei Meter senkrecht in die Luft. Ich wiege 95 kg. Direkt darauf schleudert mich die nächste Böe mit Brett sieben Meter offshore Richtung Wasser. Die Woo reisst ab. Kite landen. Abtreibende Woo retten. Nochmal starten.

Die nächsten 15 Minuten und zehn Bahnen sind die bockigsten binnen 24 Jahren Kitesurfen. Löcher um zehn Knoten werde binnen zwei Sekunden durch 45 Knoten gestopft. Sie reissen mich immer wieder voll depowert aus dem Wasser. Der XR ist ein super stabiler Schirm. Einer der Gründe warum ich ihn liebe. Heute stallt er mehrfach. Hier einen zehn Jahre alten XR zu reiten ist ungefähr so als würde man seinen Urgroßvater auf einen Gabba Rave schicken.

Ich gehe raus. Wieder ein Stall. Auslösen. Ich bin einfach zu alt für solche Bedingungen. Der Strand ist voller Schüler mit maximal fünf Quadratmetern an fünf Meter Leinen. Das geht noch halbwegs. Aber die weiteren sicher 50 Schüler auf dem Wasser mit bis zu 21 m langen Leinen tun mir echt leid. Alleine an diesem Strandabschnitt werden sie wie vollreife Früchte im Minutentakt von vier Rettungsbooten aus dem Isthmus gepflückt. Die internationale Regel „ab 25 Knoten keine Schulung mehr“ ist ultimativ bedeutungslos.

Der Sand strahlte in den letzten Wochen mehrfach meine Beine so heftig, dass ich geschrien habe. Die Wellen flogen fünf Meter hoch über den Damm am Balneario. Langsam macht sich dieser Windsucher Sorgen. Früher hatte ich wirklich mal einen Windfluch. Freunde wollten nur kiten gehen, wenn ich nicht dabei war. Die Quote dieser Reise ist etwas anders. Nur 3:15 h kiten auf vier Tage binnen zwei Wochen wegen zuviel Wind…

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