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Breitenbrunn / Neusiedler See

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#729
0310
2021
So
19:31
Tag
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Diese Vorhersage hatte ich schon länger im Auge. 24 Knoten an 24°C bekommst du selten im Oktober am Neusiedler See. Doch die erste Disco nach eineinhalb Jahren Coronapause in der Nacht zuvor plus viereinhalb Stunden An- und Abreise nebst Kiten sind zuviel für einen alleine.

Zum Glück entscheiden sich Freunde spontan rüberzufahren. Ein Platz ist noch frei. Nach Disco packe ich um halbvier schnell noch die Kites. Eine Stunde später geht es los. Ich verschlafe die gesamte Anreise  im bequemen Camper.

Kurz vor Mittag kommen wir in Breitenbrunn an. Die Vorhersage für den Samstag stimmt: sehr leichter Wind an warmer Sonne. Zu wenig für mich. Gitarre spielend schaue ich den leichteren Freunden vom Ufer aus zu.

Breitenbrunn ist recht berüchtigt für schlimme Kite-Unfälle ob dem wenigen Platz zwischen etlichen Bäumen. Die gute Nachricht: seit meinem letzten Besuch vor einigen Jahren wurden vor allem vorne in der Kitezone mehrere gefällt. Die schlechte Nachricht: Breitenbrunn ist sehr populär geworden.

Sogar im heutigen Schwachwind sind satte 70 Kiter am Wasser und nochmal soviele am relativ kleinen Startplatz an Land. Die Mitglieder der lokalen Kiteschule tun ihr bestes um die Sicherheit zu wahren – aber kommen auch ab spätestens 100 Kitern auf dem Wasser an ihre Grenzen.

Am ersten Tag gibt es wenig Unfälle. Nur ein 21er Speed wird mal schnell im Baum geparkt. Der Pilot motzt zuerst seine Frau an. Dann reisst er leicht 1.300 € Restwert grob aus dem Baum – und vollkommen entzwei. Mit nur etwas Hirn wäre er drei Meter in den Baum geklettert und hätte den Kite gerettet. Doch Schande kurz zu halten war ihm wichtiger.

Am Abend gibt es eine dicke Grillerei auf dem Parkplatz. Ich falle früh ins Bett.

Der nächste Tag beginnt vielversprechend. Früh morgens rütteln starke Böen am Camper. Zum Frühstück schläft der Wind wieder etwas ein. Ab 10 Uhr baue ich erst mal den falschen Kite auf. Ich warte zwei Stunden vergeblich auf den angesagte Starkwind und baue letztendlich doch den 13er auf.

Schon mittags sind über 100 Kiter am Wasser. Der Platz ist für diese Massen zu eng. Vor allem Ungarische Kiter starten immer wieder in der Landezone. Das ist in Breitenbrunn bei Südostwind wie heute doppelt deppert. Erstens blockieren sie die Landebahn vor allem für die vielen Anfänger. Zweitens kommen sie bei der Windrichtung nicht an den direkt neben dem Kitestrand gelegenen Pfosten im Wasser vorbei, die den Badestrand dahinter schützen. Damit blockieren wenige Idioten alle startenden Kiter.

In milden 18 Knoten cruise ich durch graues Wasser nach Osten bis fast zur Mitte des Neusiedler Sees. Dann wird der Wind schwächer. Ich verwerfe den Plan des Aufkreuzens zum am Ostufer gelegenen Podersdorf. Die Entscheidung war goldrichtig. Ich komme gerade noch ans Westufer zurück. Dann schläft der Wind völlig ein.

Eines der schönsten Dinge am kiten ist dass du immer wieder unerwartet alte Freunde von weiten Reisen triffst. Heute ist es Rainer, mein steirischer Kite-Buddy aus dem Argentinischen Starkwindrevier Cuesta del viento. Wir überlebten dort 2018 eine Woche lang den mit über 50 Knoten heftigsten Wind zweier Kiterleben. Meine kleine dreimonatige Südamerikareise toppt Rainer mit eineinviertel Jahren und ein paar Sechstausendern.

Die richtigen Freunde bringen den richtigen Wind. Nach zwei Stunden Flaute kommt der Wind unerwartet mit schönen 24 Knoten zurück. Der Startplatz mutiert jetzt zum wilden Westen. Jeder denkt nur an sich. Dass außer ein paar weiteren Baumlandungen keine  schlimmen Unfälle passieren grenzt an ein Wunder.

Ich kreuze schnell durch die jetzt proppevolle Dangerzone am Ufer raus auf den See. 170 gezählte Kiter sind jetzt am Wasser. Ist man erst mal 200 m weit draußen fällt das erstaunlich wenig auf.

Vor dem Kitestrand Breitenbrunn liegen zwei Schilfinseln. Hinter der östlichen schwappen im Lee unruhige Wellen zurück. Keine Laborbedingungen. Aber in der Bucht vor der westlichen Schilfinsel finde ich am späten Nachmittag bis zum Sundowner meinen kleinen Himmel.

Zwar wird der Wind hinter den Inseln ein gutes Stück schwächer als vor allem im Kanal dazwischen. Aber das Wasser ist auch auf 50 mal 100m spiegelglatt. Für Rekorde reichen die maximal 24 Knoten in meinem 10er XR nicht. Aber mit guten sechs Metern bin ich zufrieden.

ACHTUNG! Das Wasser vor den Inseln ist sehr niedrig. Wegen der starken Graufärbung merkt man das gerne zu spät. Im Schilfkanal zum Ufer hin ist das Wasser nur fünf Zentimeter tief. Der miefende Morast verwesender Dinosaurier ist butterweich. Man kann ihn mit genug Druck tatsächlich Finnen-tranchieren. Hält man hier jedoch vorsichtshalber an mutiert man zur Fliege am Sonnentau.

Der Neusiedler See ist weltweit der einzige Spot an dem die Locals 17 Begriffe für jede Stufe des Übergangs von Feststoff zu Flüssigkeit kennen. Stürze im Morast sind problematisch. Sie federn den Einschlag zwar besser als tiefes Wasser ab. Doch sobald du aufstehst versinkst du bis zum Oberschenkel in einem Stinke-Smoothie…

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