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Guerra na Guincho!

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2018
Sa
14:10
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Nach wenig guten Windtagen auf der gesamten Iberischen Atlantikküste freut sich meine platte Bandscheibe über die Vorhersage am thermisch aktiven Strand von Guincho. Kurz vor Mittag luscht der Wind noch 200 m vor dem Strand herum. Dann dreht er schlagartig thermisch leicht nach west und nimmt rasch zu. Ein leichter Schweizer wird am 10er über den Strand gerissen. Ich baue in bockigen 24 Knoten den 9er Rally auf.

Am 200 m entfernten leeseitigen Ende des Strandes sorgen sieben Meter hohe Klippen laut Locals für kräftigen Luvwirbel und nette Brecher. Zudem zieht dort die Südströmung im Wasser stark an. Wenn man abtreibt ist die einzige Landemöglichkeit ein 50 m breiter und mit reichlichen Felsen garnierter Strand 200 m weiter im Lee. Die Locals raten dort nur mit eingeholtem Schirm rauszuschwimmen.

Die Waveboards hier sprechen eine klare Sprache: kaum eines ist länger als mein Twintip, alle schmaler. Viele haben Schlaufen. Die meisten fahren heute sechs oder sieben Meter. Der erste Kiter semmelt nach einem verbockten Sprung seinen Kite in anfänglich noch beherrschbare eineinhalb Meter Welle. Er kommt nicht mehr hoch und treibt bis zum Strand.

Seit letzter Woche haben mir zwecks Bandscheibe immer lieben Menschen den Kite aufgepumpt. So auch heute. Sie zittert trotzdem voll der Vorfreude. Ich gehe raus. Schon die erste Welle schleudert mich mitten zwischen einige Surfer. Sie sind freundlich, aber fast so verängstigt wie ich. Weiter im Luv loopen Windsurfer vier Meter hoch über mächtige Wellen.

Am offenen Meer brechen die Spitzen von bis zu zweieinhalb Meter Dünung im Wind. Der wird immer stärker und bockt schon bald von einigen Minuten Windlöchern um die 15 Knoten abgesehen mit heftigen 25 bis 35 Knoten an den Guincho. Mit zunehmendem Wind gehen fast alle Surfer raus. Die jetzt bis zu zwei Meter hohen und schnell brechenden Wellen gehören alleine fünf Kitern – und damit ist der Guincho schon recht gut gefüllt.

Ein lokaler Lauser loopt seinen 7er Dice wie ein Verrückter im Flachwasser hinter den Wellen auf knapp 15 Meter hoch. Ein anderer Kiter bricht sich bei einem Crash das Bein und wird vom Krankenwagen abgeholt. Alle Kites gehen mehrfach baden, nur wenige lassen die Wellen wieder gehen. Die Nortada reißt meine jodelnde Bandscheibe über die Wellenkämme. Mein Kite bleibt trocken, aber ich geh oft baden.

Ich hab in immer heftiger werdenden Böen zum ersten Mal seit ziemlich genau 20 Jahren kiten einfach nur eineinhalb Stunden lang permanent Angst. Ein paar kleine Kicker sollten mich voll depowert nur auf zwei bis drei Meter schleudern. Es werden fünf, immer wieder, mild angefahren. Nach unten schwebend ziehst du einmal kurz an der Bar…und schon lupft dich die nächste Böe nochmal ein paar Meter rauf. Ich stehe absolut nichts.

Als die Böen auf über 40 Knoten raufgehen reicht es einfach. Die letzten zehn Meter Strand vor der Flutlinie steigen am Guincho steil an. Durch einen mächtigen Shorebreak spuckt er mich an Land. Ich zittere. Das war Krieg. Mein Meister. Heftigste Session in 20 Jahren Kiten. Guerra na Guincho…

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