Zugvögel

Als ich klein war hatte ich eine große Frage: Wohin fliegen die Zugvögel? Die Antworten darauf waren schnell gefunden und beinhalteten zahlreiche Länder. Ich verschlang alle Dokus über diese Ziele. Manchmal waren sogar Vögel zu sehen. Wenngleich ich damit ihren Zielen näherkam, fehlte mir trotzdem immer eines: Ihr Weg dorthin. Also fing ich an, vom Fliegen zu träumen. Noch bevor ich ein einziges Mal die Erde verliess, wusste ich, wie sie von oben aussah. Ich zog mit den Vögeln davon.

Heute bin ich einer von Ihnen. Ich träume nicht mehr vom Fliegen. Ich fliege. Früh morgens nehmen wir einen Beachbuggy zum Startpunkt einen guten Kilometer westlich Jericoacoaras. Im anfangs noch mit milden 18 Knoten sideoff blasenden Wind gehen wir mit kleine Kites auf den längsten Downwinder, den ich je geflogen bin.

Der Weg zum Ziel ist weit. Tatajuba liegt gute 25 km Flugstrecke westlich Jericoacoaras. Die Fahrtstrecke dürfte um die 75 km gewesen sein heute. Wie die Zugvögel durchqueren wir zahlreiche Länder der Erde. In ihnen ist das Wasser mal flach, mal brechen in der Ebbe milde Wellen. Auf halbem Weg machen wir wir die Zugvögel Rast in der Fussmündung des Rio Guirú. Bei Ebbe teilen sich viele Kiter wenig und sehr niedriges Wasser.

Ab Mittag frischt der Wind deutlich auf. Ich komme an das Ende meiner Flügelspitzen. Alle Wellen auf’s Meer hauen Dich weit nach Lee segelnd hinaus. Das ist nicht mehr surfen. Es ist fliegen. Im Flachwasser hinter den Wellen landeinwärts ist es schwer, die Kante noch kontrolliert einzusetzen. Der Wind wird immer stärker.

Nach guten vier Stunden Flugzeit kommen wir in Tatajuba an. Der Wind hackt jetzt mit über 30 Knoten. Der schüchterne Wikinger Johan versucht meinen Kite zu landen, da ich kaum mehr Bodenkontakt halten kann. Beim Versuch fliegt sein Waveboard davon. Ian löst aus und bändigt meine Flügel. Im kleinen Beach-Restaurant von Tatajuba weht eine Hängematte horizontal im Wind.