Die Welt brennt

Die ganze Welt brennt. Überall. Mit meinem Bauch fängt sie an. Nach Drei Tagen ohne Appetit auf der Onkologie habe ich in Freiheit wieder einen Bärenhunger. Ich bekomme wenig runter – und zahle dafür trotzdem einige Nächte mit unglaublichem Sodbrennen. An Schlaf ist kaum zu denken. Entweder Hunger oder Feuer, dazwischen gibt es eine Woche lang nichts.

Auch ohne die volle Keule der Nebenwirkungen gespürt zu haben, glaubte ich an die Kraft des guten Gifts. Jetzt bekomme ich die volle Keule – und glaube noch mehr daran. Mir ist perment flau, ich bin müde, kein Schlaf hilft. Jede Geistesregung strengt unglaublich an. Für den Weg zum Briefkasten benötige ich zwei Verschnaufpausen, der Gang zur Bank gleicht einer Himalaya-Expedition ohne Sauerstoffflasche.

Die Welt brennt, überall. Nichts ist gut. Zum einen wegen mir. Ich bin sehr ungeduldig und akzeptiere kaum Meinungen, die mir nicht behagen. Zum anderen brennt die Welt einfach wirklich überall. Die BU meldet sich nicht. Kunden fallen weg. Neuaufträge bleiben aus. Üble Erfahrungen mit Online-Händlern. Ich kann mich kaum rühren.

Wenigstens der Antrag auf Erteilung des Schwerbehindertenausweises geht schnell durch. Ich geh zum Amt für Soziales und amüsier mich tierisch, dass ich ihn auch ohne Rollstuhl krieg. Für den Rückweg hätte ich dann ganz gerne einen. Das Finanzamt ist nett und stellt Vorrauszahlungsforderungen auch ohne Attest ein.

In der Nacht spüre ich den Krebs in meiner Lunge wachsen. Das ist nicht ungewöhlich. Denkt fast jeder Patient mit Lungenmetastasen. Ich kämpfe gegen das Gefühl an. Die Ärzte sagen: “Sie spüren die Chemo, wie sie die Krebszellen vernichtet.”. Darauf konzentriere ich mich. Immer wieder. Bis zum Morgengrauen.