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Ich will nicht mehr…

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#492
3005
2012
Mi
6:21
Tag
1818
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Im Bett neben mir erfuhr heute ein neuer Tod von seiner Geburt. Er röchelt und keucht durch die ganze dunkle Nacht. Der Himmel über dem Klinikum leuchtet orange. Als Krebskranker sollte ich Angst vor dem Tod haben. Oder Mitleid. Wenigstens Respekt. Aber ich habe nichts von alledem. Der mich vom Schlaf abhaltende stöhnende Tod nebenan nervt mich einfach zu Tode.

Viele Menschen beschreiben Krebs als große Chance. Oder Befreiung. Ich habe immer versucht, in allem Schlechten das Gute zu sehen, und es oft geschafft. Aber nicht hier. Freier geht nicht. Offener geht nicht. Die Freunde, die mir wichtig waren, zeigten mir, dass sie es zurecht sind. Die, die schwiegen, hätten eh schon längst weg sein sollen.

Krebs hat nichts Gutes. Im Gegenteil. Er ist nicht genug. Gerade wenn Du glaubst, du stirbst an der Chemo, kommen noch Menschen daher und attestieren Dir große Feigheit in Deinem Kampf. Sie prophezeien Dir ob Deines Lebens in einer Scheinwelt den baldigen Krebstod, welcher dann der ersehnte Abschluss Deines Lebens wäre.

Ich bin lange gelegen. Ich habe viel gedacht. Ohne die guten Menschen in meinem Leben wäre ich verzweifelt. Ich habe mit mir und meiner Wut, meinem Hass gekämpft. Ohne Aggression geantwortet und gefragt: warum? Vielleicht kann eine Antwort darauf nur unbefriedigend sein. Die Entschuldigung war abgerungen.  Erst dachte ich, sie wäre genug. Aber sie ist es nicht. Vielleicht gibt’s kein genug auf solche Sätze.

Das Buch über aggresionsfreie Kommunikation danach war ein Hohn. Kein gesunder Mensch hat das Recht, meinem Krebs dankbar zu sein. Zumal es einfach völlig falsch ist zu behaupten, ohne ihn hätten wir nie so gut reden können. Es reicht. Ich will keine Gefühle mehr kontrollieren. Ich will nicht mehr verständnisvoll antworten. Rücksicht nehmen. Ab sofort werde ich jeden Angriff und jede Beleidigung mit ungefilterter Härte erwiedern.

Ich will mich auch nicht mehr wie das dritte Rad am Wagen fühlen. Ich will nicht mehr zurückstecken. Ich hab das nicht verdient. Ich will mich nicht mehr erklären müssen und immer wieder das gleiche sagen. Ich werde meine Gefühle freilassen, die Kontrolle über sie aufgeben. Es reicht. Ich will nicht mehr. Ich will nur eines. Leben. Und damit fange ich noch heute an.

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2 Kommentare

  • Ralph Meinhold schreibt am Mittwoch, 30.5.2012 um 7:46 Uhr:

    Schön wieder von Ihnen zu lesen!
    Und … jeden Tag neu anfangen zu Leben!

  • Claudia Zimmermann schreibt am Donnerstag, 21.6.2012 um 0:21 Uhr:

    Weiter so Frank! Du wirst es schaffen!! Ich finde es klasse, wie Du für Dich damit umgehst und ich freue mich unendlich für Dich, dass Du so wundervolle, treue Freunde hast!! :-)
    Herzliche Umarmung :-)

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