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The Night Before

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#489
0205
2012
Mi
23:16
Tag
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Zum Beginn des 3. Zyklus vergisst der Stationsarzt meinen CT-Termin. 18 Tage Vorankündigung für die Kontrolle, ob die Chemo wirkt, waren zu knapp. Mögliche Geistesstützen ersinnend huldige ich seiner Schludrigkeit. Eine Nacht auf dem Ceranfeld auf Stufe 8? Da würde er vermutlich immernoch besser schlafen als ich.

Immer wieder spüre ich ein Ziehen in der Lunge. Manchmal auch im Bauch. Klar, wer mit Lungenmetastasen nicht zum Psychosomatiker wird, muss echt ein eiskalter Hund sein. Also versuche ich, mich immer wieder über alles zu freuen, was ich spüre: Die Chemo vernichtet Krebszellen. The Night Before ist hart, aber immernoch deutlich besser als The Day After.

Ich schaffe es nicht, mich über alles zu freuen. Ein wichtiger Mensch hat mich ordentlich angeschossen. Ist mir erst jetzt so richtig bewusst geworden. Die Wunde ist tief und tut sehr weh. Ich sehe trotz allen meinen gütigen Worten keine Einsicht. Höre keine Entschuldigung. Frage mich, ob es überhaupt was gibt, was das noch heilen kann. Bekomme stattdessen 15 Mails zu finanziellen Themen. Danach einen folgt ein Buch über einfühlsame Kommunikation mit Brief. Ich verzweifle an der Blindheit der Welt.

Der Krebs ist in mir. Er hat mir die Kontrolle über meinen Körper entrissen. Ich mutiere zu dem kleinen jähzornigen Kind, das ich mal war. Immer wieder. Wenn die blöde Luftpumpe versagt. Wenn der scheiss Spülen-Stöpsel zerfällt. Wenn ich ein mistiges Kleinteil verlegt habe. Einfach immer, wenn etwas nicht so läuft, wie ich wünsche. Jede Kleinigkeit, die einfach nur gut läuft – ist reiner Himmel. Ein kleines bisschen Kontrolle im absoluten Chaos. Krebs ist genauso grau, wie meine Gefühle schwarz und weiss sind.

Vorgestern Fuck Art Let’s Dance in der Heimat. Ich tanze glücklich mit viel Alkohol und gutem Essen. Gestern. Ein Film und dazu Ulis ruhiges Schnaufen in meinem Arm. Guter Schlaf. Ich träume seit Tagen wie ein Weltmeister. Jeden Morgen könnte ich den Herrn der Ringe zwei bis drei mal an die Wand rotzen. Heute früh wache ich in einem Dschungel auf. Mein Guide hat gutes Essen gefunden, anders als in den Nächten davor. Ich habe Jahre nicht geträumt.

Nie hätte ich gedacht, dass Freunde so wichtig sein können. Die richtig wichtigen Mails kommen nicht im Stundentakt. Aber alle paar Tage legt mich eine so richtig fett nieder. Ich weine vor Glück und bin mir sicher, so falsch auch grade alles läuft: Irgendwas muss ich gut gemacht haben. Sonst wären sie nicht meine Freunde.

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