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Köln Hbf, Mc Donalds, 3 Uhr früh

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#325
0212
2009
Mi
3:20
Tag
908
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Der Mac Donalds am Hauptbahnhof Köln ist so krass wie krass nur geht. Ich sitz hier die letzten zwei Stunden in Erwartung meines Morgenzuges. Zuerst überleg ich, ob ich noch Feuersteins Reisens am Ipod beende. Aber das wär eine Verschwendung. Ich sitz mitten in einem schwulen Zombiefilm.
 
Im Eck schläft ein Penner in einem Mayonaisefleck. Hoffe ich. Gegenüber eine ganze Gruppe. Vollkommen strulle kippen sie immer wieder Penny Bier in ihre Cappuccinotassen. Sie haben einen siebten Sinn, denn die Flasche verschwindet immer genau dann, wenn ein Angestellter ums Eck kommt, und der kommt oft.
 
Am Nebentisch sitz eine Gruppe Schauspieler und Tänzer. Es geht um Tütüs, Style und "the gorgeous new director". Küsschen hier und Fummeln da. Ein Mädel mit echt geilen Puschen an den Beinen kreischt, dass man jetzt in einen Gay-Club ziehen sollte. Unter starkem Schluckauf verweigert sich ein schwules Pärchen. Ich hab Angst vor der unfreiwilligen Wiedergeburt eine McSundae Eisbechers.
 
Gegenüber furzt einer der Penner und schaut sich verschmitzt um, ob's auch jeder gehört hat. Die Russischen Mädels nebenan haben, schauen sich an und dann weg. Die Luft von drüben riecht jetzt deutlich angenehmer als vorher. Der sich jetzt uneingeschränkter Aufmerksamkeit bewusste Furzer versucht mit den Russinnen ein Gespräch über Boxen anzufangen. Seine Kumpanen weisen ihn unter Androhung von Liebesentzug darauf hin, daß er bitte die Boxgesten unterlassen möge.
 
Ich geh raus und rauche eine. Drei Bahnpolizisten ziehen vorüber. Vermutlich hab ich eine besondere Nacht erwischt, denn sogar die philosophieren beim Blick durch die Scheiben über einige Gruppierungen. Ein Nachtschwärmer pinkelt gegen den Hinterreifen des letzten Taxis in der Reihe. Der Fahrer merkt's und steigt aus. Ich geh wieder rein.
 
Schräg gegenüber sitzt jetzt Herr Lohengrin. Nobler Lodenmantel, Humphrey-Bogart-Hut. Er riecht nach Zigarren und Whiskey, schaut sich die ganze Zeit um, als hätte er hier jemanden verloren. Dann fängt er leise an zu singen. Ein weiteres schwules Pärchen meint darin einen Song der Village People zu erkennen. Das war's zwar nicht, aber nach fünf Minuten gehen sie trotzdem zu dritt raus.
 
Links verschreckt mich auf einmal ein sich niederlassendes Pärchen. Mann und Frau? Sie zoffen sich sogar über die schlabber-Pommes. Sie steht nach einer weile wütend auf und rauscht in die Nacht ab. Er bleibt still sitzen und kaut lustlos einen Burger zu Ende. Die Penner gegenüber grinsen ihn irgendwie schadenfroh an.
 
Ein weisser Hoodie setzt sich neben mich. Er versucht dem schwarzen schräg gegenüber ein Buch zu schenken, aber der will keine Weihnachtsgeschenke von Fremden. Das nervt den White Boy. "You know Tupac was popped, i was popped, but we all still have to feel something." Dann zu mir: "Ich habe auch einen Laptop dabei, aber wissen Sie, die Kriminalität hier…". Ich greife nach seinem Reclam Buch. Es ist Faust.
 
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