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Der Queenstown Kneipen-Kriech

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2013
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Keiner von uns war jemals auf einem Kneipen-Kriech dabei. Kneipen-Kriechs waren uns stets mehr als suspekt. Was sollte man da schon erleben? Menschen, die meinen, das Leben könne unmöglich aus mehr bestehen ausser dem Ruf nach dem nächsten Bier. Doch die Wahrheit ist noch viel schlimmer…

Ich freue mich, denn über die eigenen Irrtümer lästert es sich immer am besten. Nachdem wir zwei Monate ziemlich solitär zu zweit und oft durch die einsamsten Gebiete Neuseelands reisten ohne groß zu sozialisieren, hielt ich es ernsthaft für eine gute Idee, dieses Angebot wahrzunehmen: Big Night Out Queenstown: The Pub Crawl.

Queenstown is anders als alle anderen Neuseeländischen Städte. Hier wird öffentlich in den Parks getrunken – die Liquor Stores sind die häufigste Business-Spezies im Stadtzentrum. Es gibt unzählbar viele Kneipen. Offensichtlich erachten es die Stadtältesten als angebracht, die durch Bungy, Jetboat und Freefall freigesetzten Adrenalinmengen durch saubere alkoholischer Spülung zu entsorgen.

Das englische „Pub Crawl“ trifft nicht wirklich den Kern der Veranstaltung. Das deutsche Kneipen-Kriech hingegen kommt phonetisch dem wahren Inhalt unserer heutigen Sozialstudie deutlich näher. Wir fangen alleine zu zweit in der minus 5 Bar an. In einem Winterwunderland aus Eis schlürfen wir unsere ersten dezenten Absolut Vodka Cocktails aus Eisgläsern. Dann begeben wir uns über einen glühenden Sonnenuntergang an den Start des erbärmlichsten etwas, dessen wir jemals Teil wurden.

25 $ für fünf Getränke in Neuseeland hört sich erst mal gut an. Doch die Getränke sind verpanschte 2 cl Jägermeister aus den stets gleichen Gläsern. Um in deren „Genuss“ zu kommen, muss man jeweils 45 Minuten in einer Bar zur finanziellen Melkung bereitstehen. Die groß beworbenen „Special Discounts“ sind immernoch teure Sonderangebote, die jedem Vollidioten auch ohne neonoranges Depperlband genauso anheim werden. Der Meister-Kriecher kassiert auch noch den Korn-zehnten.

Die angekündigten „Big Give Aways“ wie Rafting oder Paragliding gilt es sich durch das absolvieren von „Quests“ zu erarbeiten: Leg dich auf den Tresen, pack deine Möpse aus und lass Dir von einer wildfremden Frau Tequila aus dem Bauchnabel schlürfen, Salz aus dem Dekollete lecken und eine Zitrone aus dem Mund beissen. Jetzt gröhlen alle. Hört sich doof an, ist aber ein Riesenspass. Vermutlich, kann ich nicht beurteilen, hab ja keine Möpse.

Um Mitternacht folgt das Gratisessen, ein 16tel Stück Fettpizza. Für den Versuch, auch Uli ein Stück mitzubringen, werde ich von der notgeilen Spassmangerin beinahe öffentlich gevierteilt. Danach noch etwas blutiger K1 im TV zu ShitHop in einer Disco, die einst ohne Kneipen-Kriech ganz gut war. Weniger geredet hab ich noch nie, noch nicht mal mit mir selbst allein.

Die auf den Tischen tanzenden Animateure schwingen die Fäuste rhytmisch zum Abklatschen der von volltrunkenen Jugendlichen angebotenen High Fives. Mann, sind wir hier falsch! Wonach ich mich sehne? Einem sauberen Rausch, mit guten Freunden, zu wichtigen Themen, großen Worten und schräger Musik. Die richtigen werden nicht genannt, wissen aber wen wir meinen…

Unseren nächsten Tag bestreiten wir durch das Entwickeln von Höhenangst im Auto. Die Warnschilder am Eingang zum 15 km langen hochalpinen Shotover Canyon Piste sind beeindruckend. Die sich in engen Serpentinen durch Steilwände mit ungesicherten Freifallmöglichkeiten von bis zu 200 m windende alte Goldgräberroute noch deutlich mehr. Wenn unser Vermieter die Bilder sehen würde, erhielten wir vermutlich das nächste Mal ein gratis Upgrade auf einen dicken Jeep. Unser kleiner Nissan Tutukaka hat in den letzten zwei Monaten mehr böse Pisten geplättet als die meisten Vierradfahrzeuge.

Die Remarkables sind das lokale Skigebiet von Queenstown. Eine staubige Piste windet sich über 13 km Waschbrett auf bis zu 1800 m empor – soviel ich weiss der höchste mit einem Zweiradfahrzeug erreichbare Punkt Neuseelands. Wir wandern noch knappe 200 Höhenmeter rauf zum Lake Alta, dann ist erst mal Schluss. Zuviel gewandert in letzter Zeit. Ein kurzer Abstecher in die alte Goldgräberstadt Arrowtown, und wieder ab ins Hostel.

Zum Abbau der Nebeneffekte des erfüllenden Kneipen-Kriechs widmen wir uns am letzten Morgen noch schnell einer Stunde Jetboat auf dem Kawarau und Shotover River. Damit haben wir dem Adrenalin in dessen Hauptstadt genug gehuldigt. Kein Downhill-Biken, kein Gleitschirmfliegen, und der einzig gute Wind seit Wochen bleibt wegen der zahlreichen Gefahren des einzigen möglichen Startplatzes ungekitet.

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