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Louie Austens Schuhe

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#303
2106
2009
So
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Nach einer erholsamen Nacht bei Georg auf der Hohen Warte fahre ich ins Zentrum. Es regnet. Den ganzen Tag. In Strömen. Ich finde meinen Weg auf unbekannten Pfaden, habe kein Ziel aber komme dort an. Menschen fragen mich nach dem Weg. Ich pack mein bestes wienerisches „ey“ aus und radebreche „Das weyss ich leyder auch nicht, gnä Frau.“

Vor der Abtreibungsklinik am Fleischmarkt steht ein einsamer Abtreibungsgegener mit seinem Plakat im Regen. Tipp an die Bertreiber: blöde Adresse! Umziehen in die Himmelpfortgasse, dann klappts auch mit den Nachbarn. Die Junkies in der UBahn am Karlsplatz sind dicht wie immer, der Naschmarkt im Regen dagegen mal angenehm leer.

Ich frühstücke mit Sabine im Naschmarkt Deli, dann besuchen wir ihren Bruder. Der nennt seit kurzem eine Finnische Wildkatze sein eigen. Kurz vor seinem Diplom hat er Angst dass der Kater zu schnell die angepeilten 1,5m Gesamtkörperlänge erreichen könnte. Schon in der aktuellen 20 cm Version ist er ein süsser aber hart beissender kleiner Teufel.

Am Abend gibt’s Octopus im Il Mare. Danach eines dieser wunderbaren unerwarteten Wiener Highlights. Louie Austen ist eine Legende, war ganz oben und ganz unten. Jetzt singt er jeden Samstag vor einem illustren Publikum im Marriott. Er hat vor Tausenden gesungen. Heute vor 50. Drei Meter vor Louie sitzen wir zu teuren Drinks in schweren Sesseln an der Bar, schauen und lauschen.

Neben der Bühne sitzt eine gelangweilt dreinblickende alternde Frau mit einem dicken Diamantkollier und einer tollen Tolle. Vor ihr ein junger südländischer Gigolo mit gegelten Haaren, der ständig angerufen wird. Irgendwann sind beide weg. Rechts gähnt ein Bentley, vorne schlürfen zwei Guccis Champagner, links kichern zwei Armanis mit oder über eine Chanel. Wir amüsieren uns mitten drin.

Durch seine rosa Sonnenbrille schaut Louie direkt in die Spotlights nach oben, breitet die Arme aus und strahlt wie ein Schnitzel. Er singt von Liebe, Schmerz und Lachen. Er trägt einen komplett weissen Anzug, Manschettenknöpfe, einen weissen Hut und spitz zulaufende vorne aufgebogene Lederslipper mit Glitzerstein-Applikationen, die äußerst hypnotisch zum leichten Jazz wippen. The best things in life are free.

Eine Steigerung ist schwer möglich. Sabine schaffts trotzdem. Sie führt mich zum Bonbonière, einer ganz kleinen Kneipe im schwülstigen Samtwand-Kronleuchter-Kerzen-Puff-Stil. Der Mann am Piano spielt auf, die Wiener Stammgäste am Tresen mockieren sich über die Abart moderner Kunst. Die Hausherrin ist eine alte Dame mit der Haltung und den Haaren einer ehemaligen Ballettänzerin.

Ich verpasse meinen Nachtbus und nehme einen anderen nach Grinzing. Ein Malteser leitet mich über eine Kirche zurück zur hohen Warte. Drei Uhr. Viel erleben heisst wenig schlafen.

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Ein Kommentar

  • Maxl schreibt am Dienstag, 23.6.2009 um 21:49 Uhr:

    … Katzen weniger würgen, dann beißen sie nicht so ;-) LG auch von Frauchen

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