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km 3.315: Lima? Puta Madre!

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2017
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Der Bus ins 20 Stunden und 1.300 km südlich gelegenen Lima ist ein Raumschiff auf zehn Rädern. Boardservice und Liegesitze werden vom Unterhaltungsprogramm gekrönt. Vin Dieselt mit voller Lautstärke durch drei an Schwachsinn kaum zu übertreffende Ausgeburten menschlichen Versagens.

Links ziehen ärmste Straßendörfer und staubige Steppe wie in Nordbrasilien an der Panamericana vorüber. Auf der anderen Seite zaubert die Sonne einen Untergang über den Pazifik, zu dem sogar Bob Ross einer abgehen würde. Dann schreit der ganze Bus: „Gooool!“ Peru hat sich zur WM qualifiziert. Peru ist bitter arm – und seine Freude eine Mischung aus Sambodrom, religiösem Fanatismus und DDR. Tagelang.

Lima ist ein Kulturschock. Neun Millionen groß und gemessen am Rest des Landes so reich wie keine Hauptstadt auf allen meinen Reisen zuvor. Es übertrifft alles inclusive Thailand, Vietnam, Philippinen, Südafrika, Sansibar und Ägypten um ein Vielfaches. In meinem Viertel Barranco reihen sich Luxushochhäuser voller Millionärswohnungen an klassizistische Stadtvillen – auf dem Land haben die Peruaner oft nicht mal das Geld für ein Wellblechdach.

Hier wurden offensichtlich einstmals öffentliche Stichstraßen komplett in Gated Communities umgewandelt: Wachmann am Eingang, Warnschilder, Stacheldraht und Elektrozaun zeugen vom gigantischen Gefälle zwischen Arm und Reich. Alle Häuser sind in Bestzustand – oder werden gerade darauf gebracht. Gegenüber Nordperu und Ecuador steigen die Preise für Essen und Busse mal schnell um den Faktor drei.

Von der langen Busfahrt aus Máncora nehm ich einen dicken 360° Infekt mit, der im Laufe des Tages mit Fieber, heftigem Husten, Kopfweh und Montezuma immer schlimmer wird. Am nächsten Morgen geh ich trotzdem auf Tour. Ähnlich Kapstadt gibt’s auch in Lima auf der Stadtautobahn eine extra Busspur. Das ist dann aber auch schon das einzige was funktioniert. Die Metro Busse sind stets überfüllt, für die 14 km ins Stadtzentrum steht man 45 Minuten. Die Autos auf beiden Seiten noch viel länger. Auf einer einzigen Fahrt zähle ich drei Blechschäden und eine Massenkarambolage mit sechs Beteiligten. Rien ne va plus.

Der Führer einer Stadttour durchs Zentrum verwendet binnen 2:15h 342 Mal die Worte „Yes?“, „I know.“ und „Listen!“. Komisch: seine Führung vorbei an einiger interessanter kolonialer und klassizistischer Architektur bleibt trotzdem stets unterirdisch langweilig. Mein Hirn läuft durch die Nase ab, es wird heute nicht mehr benötigt.

Überall Smog, verdammt reiche Anzugträger, Polizei mit MGs, Security-Agents und verdammt unfreundliche Lima-Snobs. Fragen kann man, aber Hilfe kriegt man an jedem anderen Ort Südamerikas leichter. Ein fetter Limousinen-Arsch verjagt mit Hass-Hupen einen unmotorisierten alten Mann mit seinem Karren von der Straße, der gerade den Müll der Reichen entsorgt. Ich gehe bei grün über die Ampel. Ein Limo-Arsch fährt mich beinahe über den Haufen, berührt meine Beine. Ich wusste, daß er nicht halten würde. Genieße es mit beiden Fäusten auf seine Motorhaube zu schlagen. Puta Madre!

Mein GoPro Gehäuse macht es nicht mehr lang. Ich fahre weitere fünf Kilometer nach Osten zum größten GoPro-Shop Limas. Er ist winzig. Original Gehäuse kosten bis zu netten 120 € – die ggf. nicht passenden Chinakopien immernoch 70 €. Ich brauche Ersatz aus der Heimat. Weitere zwei Stunden im Bus. Alle sitzen schweigend wie Zombies und starren auf ihr Handy. Fast so lustig wie in New York. Oder Ratten. Die werden bei zu hoher Populationsdichte hormonell gesteuert unfruchtbar. Limanesen hoffentlich auch. Ich gönne es ihnen.  Sieben Monate würde ich hier nie überleben…

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