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Der Sansibar Blues

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2016
Do
23:32
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Ich sitz morgens im Schatten und blas nach oben Richtung Brille. Das ist das einzige, was gegen permanentes Beschlagen nach einem heftigen Gewittersturm in der Nacht zuvor hilft. 34°, 95% Luftfeuchte, Windstille. Positiv: Die Sansibarischen Moskitos sind alle Nichtschwimmer, und schwimmen ist das einzige was in dieser Luft geht.

Das Dach meiner Palmblatthütte in der Demani Lodge hat ein Leck. Zum Glück genau über meinem Kopf. Spart die Morgendusche, und selbige ist nicht immer verfügbar. Nach einer halben Stunde bin ich zwar sauber – weiterschlafen geht so aber leider auch nicht. Das Bett zerfällt beim Wegschieben. Der Zusammenbau in der Dunkelheit des Stromausfalls gestaltet sich dermassen anstrengend, daß ich erst nach insgesamt 14h wieder aufwache.

Der Strand von Paje erscheint erst mal wie der perfekte Anfängerspot. Stehbereich ca. eineinhalb mal fünf Kilometer, türkises Kristall-Wasser. Selbst bei über 100 Kitern am ersten Tag wurde es nie voll. Breiter schneeweisser Sandstrand. Im Wasser gibt’s ausser bei Ebbe kaum Hindernisse, erst weiter draußen gibt’s vereinzelt Seeigel zwischen gut sichtbaren Korallenblöcken. Der Wind bläst von Mitte Dezember bis März jeden Tag sideon mit 12 bis 22 Knoten. Die Statistik stimmt dieses Jahr überhaupt nicht, und das ist leider nicht alles, siehe neuer Post.

In meinem alten World Kitesurfing Guide ist Paje noch gar nicht drin. Aber es wird viel gebaut. Ein paar Luxusresorts am Dorfrand und einige kleine einfache Unterkünfte im Zentrum gehen fliessend über in das bitterarme Fischerdorf Paje. Die meisten Unterkünfte pumpen ihre Einnahmen ins Ausland ab. Die wenigen Einheimischen Besitzer sollte man unterstützen. Findet man aber leider nur vor Ort, haben allesamt keine Homepage. Gute Anlaufstelle für Backpacker: die kleinen Palmblatthütten von Ufukwe, direkt am Strand neben Buccaneer Divers. EZ Hütte mit Frühstück 25 $, DZ 40$.

Die Menschen sind unglaublich freundlich und Swahili eine urlustige Sprache. Der Klang bringt mich ständig zum Grinsen. Klar wird auch mal gebettelt. Ich kenne aber nicht mal ansatzweise ein Land, in dem das so selten und wenn dann auch sehr freundlich geschieht. Noch nicht mal die Taxifahrer versuchen einem die Unterhosen auszuziehen – es sei denn mann verhandelt gar nicht oder selten blöd in einem Land mit 150 $ Durchschnittseinkommen.

Sansibar wird von der Reinkarnation der heiligen Dreieinigkeit beherrscht: Strom, fließend Wasser, Internet. Eines von dreien fährt immer gen Himmel, manchmal auch alles drei zusammen. Kommt nur ein Drittel zurück schreit die Hälfte der Menschen “Hallelujah!”. An Arbeiten ist auch mit Sansibari-SIM unmöglich zu denken. Wenn das WiFi mal nicht aus dem letzten Loch pfeift, dann springt das Mobile garantiert von H auf E, und das im Minutentakt. Mal einen halben Tag nicht Duschen können ist da schon besser, dann weiss man wenigstens, wie das Leben der Sansibaris ist. Die bekommen in Paje ihr Wasser aus Tanklastern.

Am dritten Tag veranstaltet die Demani Lodge ein großes Barbecue, zu dem das halbe Dorf kommt. Die Reggaeband übt an der 10.000 Watt-Anlage kreatives Rückkoppeln und hammerhartes Übersteuern, was ihre Qualität aber nicht weiter mindert. Dichte Rastafaris schunkeln zum Redemption Song. Danach legt die lokale DJ-Größe Best of American ShitHop auf. Der Sandboden bebt, die Körner springen, und die Mädels zeigen, was sie alles nicht wirklich auf MTV gelernt haben. Das Camp läuft über, vor allem mit viel zu vielen nobel gewandeten schwarzen Working Girls.

Dann bricht unter der Last der Musikanlage das Stromnetz der Demani Lodge endgültig zusammen. Jetzt schreie ich mal “Hallelujah!”, hole die Box, dreh alte Hippie Songs auf und Spring in den Pool. Zack. Strom wieder da. Ich schleich mich. Schreiben, und gute Musik von noch besseren Freunden hören. Gar nicht meine Party, überhaupt nicht meine Welt. Die Menschen sind mir egal, ihre Geschichten interessieren mich nicht. Oder kurz: alles was Reisen wertvoll macht ist weg. Vielleicht muss Magie erst mal durch Abwesenheit glänzen.

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