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Nebraska & das Ende der Welt

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#45
0807
2007
So
23:16
Tag
30
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Am nächsten Morgen brech ich wieder früh auf. Wieder ein Highway gen Süden. Wieder schnurgerade. Über 30 Grad. Die Landschaft ändert sich. Ab Nebraska gibt’s nur noch Mais und Rinder. Auch die Radiolandschaft ändert sich: nur noch Country-Gefiedel. Zur Rechten wird es flankiert von Jesus-News, zur Linken von neoapostolischem Gott-Rock. Viertelstündlich fein säuberlich strukturiert durch skurrilste Spots gegen Schwangerschaftsabbruch und Drogen. Die heilige Dreieinigkeit der Hirnpürierung, Halleluja!

Nebraska ist wirklich ein komisches Land. Super kostet deutlich weniger als Normal. Eine Meile zu schnell kostet 100$. Ich komme bei meinem neuen Host Kim in Kearney an. Am Abend gehen wir in ein richtig feines Steakhouse mit angeschlossener Hausbrauerei. Wir trinken preisgekröntes Honigbier mit über 9%. Und ich ess eines der besten Steaks meines Lebens. Nur ihren Pianospielern sollten sie mehr Geld für Unterricht geben. Hätten es nötig.

Von der Tagesfahrt bin ich nach 8 Stunden wieder total alle. Die eine Stunde auf mehr Wind warten am nahen Sherman Lake zähl ich mal dazu. Kim ist großer Jazz-Fan, hat sehr viele gute alte Platten. Wir gehen noch eine Stunde meine MP3s durch, dann fall ich ins Bett.

Kims Kaffee am nächsten Morgen ist mit weitem Abstand der beste, den ich in einem Monat hier getrunken hab. Und er ist stark genug, um mich bis weit nach Mittag wachzuhalten. Ist auch nötig. Ich breche noch vor acht auf und fahre auf dem Highway 2 Richtung Westen durch die Sand Hills, ein 200 Meilen langes Meer aus grasbewachsene Sandhügeln. Der westliche Abschluss der Great Plains.

Die Landschaft ist atemberaubend unwirklich. Nichts außer Sand-Meer, 5 Stunden lang. Eigentlich noch eintöniger als North Dakota, aber so wunderschön, dass ich nie müde werd. Alle halbe Stunde kommt mal ein Auto, dann eine kleine Siedlung. Die Karte und das Radio sagen mir: das Ende der Welt ist nah. Keine Straßen, keine Sender. Nur Wind, Gras und 1,5 Meilen lange Kohlezüge.

Ich fahre und fahre. Im Westen sind jedoch wieder mehr Farmen. Das Ende der Welt muss aber unbewirtschaftet sein. Nach einigem Suchen bin ich mir sicher, dass ich das Ende der Welt leider nicht gefunden, aber zumindest knapp verpasst hab. Ich fahr weiter nach Scotts Bluff.

Scotts Bluff ist nix außer einem großen Felsen. Aber eben der erste nach 1000 Meilen Great Plains und 200 Meilen Sandhügeln. Auf mich wirkt er schon nach nur drei Tagen majestätisch. Wie muss es erst den Siedlern des Oregon Trail 1840-1860 ergangen sein, nachdem sie Monate keinen Felsen gesehen hatten und auf 200 Meilen im Sand versunken waren?

Ich dreh ab nach Süden Richtung Dallas. Die ersten zwei Dörfer in Colorado haben leider keine Tankstelle, und meine Anzeige blinkt schon. Beim dritten juble ich beim Anblick einer Zapfsäule. Und fluche als ich Näherkomme: dicht, kein Zapfhahn. Ganz langsam fahre ich duch die Pawnee-Graslandschaften nach Süden. Lege die Ohren an, schließe die Fenster, schalte Licht, Radio und Klimaanlage aus. Abwärts nur Leerlauf. Noch 30 Meilen. Das wird knapp.

Im Westen zieht ein gewaltiges Gewitter auf. Der Weizen davor glüht golden in der Sonne. Ich trau mich nicht mehr anhalten zum fotografieren. Auf den letzten Tropfen komme ich nach 440 Meilen in Fort Morgan an einer Tanke an. Das Gewitter kommt näher. Unglaubliche Sturmböen fegen Präriebüsche mit wahnwitziger Geschwindigkeit über die Interstate. Dann geht’s los. Regen, so heftig, dass ich erstmals Aquaplaning bei 60km/h erlebe. Genauso schnell wie es da war ist es wieder weg.

In Denver finde ich mich schnell zurecht. Auf meinen nächsten Host muss ich noch zwei Stunden warten. War drei Stunden zu schnell, hatte auch die weitere Stunde Zeitgewinn wegen der nächsten Zeitzone vergessen. Ich fühl mich heute überhaupt nicht wie 11 Stunden gefahren.

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2 Kommentare

  • susi schreibt am Montag, 9.7.2007 um 17:26 Uhr:

    griass di frank…

    endlich bin i mal wieder zum lesen gekommen:)
    du erlebst ganz schee abgefahrene sachen…
    ich hab hier grad ziemlich viel architektenleben und ganz schee wenig susileben…aber mir soll spaeter mal keiner gesagt haben, ich haette es net probiert:)

    geldnoete…kenn ich gut…aber schau doch mal unter \

  • Astrid & MArtin schreibt am Mittwoch, 11.7.2007 um 11:59 Uhr:

    Hallo Frank,

    schade, dass sich auf Dein Mitreisegesuch im WRF bislang niemand gemeldet hat – wie ermüdend selbst die atemberaubendste Landschaft werden kann, haben auch wir vor vielen Jahren auf einem Trip durch die Staaten erfahren ;).

    Andererseits profitiert vermutlich Dein Blog und Deine Arbeit unterwegs von den vielen einsamen Stunden on the road…

    Vielen Dank jedenfalls für die kurzweiligen Texte und die schönen Photos, die liebe Erinnerungen wecken.

    Weiterhin tolle Impressionen und einen guten Kompromiss zwischen Leben und Arbeiten unterwegs!

    Liebe Grüße

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