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Seattle

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#53
1807
2007
Mi
23:34
Tag
40
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Ich wusste, dass Seattle am Meer liegt, mit vielen Seen drumherum und unendlich langer zerklüfteter Küstenlinie. Ich wusste von der Space Needle, dem kühlen Wetter, der gemischten Bevölkerung, Grunge und vielem mehr. Doch das was ich nicht wusste ist das, was mich zutiefst beeindruckte.

Ja, Ich fahr noch nach San Francisco. Aber die Topographie dort wird’s schwer haben, mich zu beeindrucken. Megan wohnt so ziemlich auf einer Höhe mit der Spitze der Space Needle, auf dem höchsten Berg, grade mal 2 km vom Stadtzentrum weg. Die Straßen sind winzig, oft einspurig. Auf jeder Kreuzung steht ein Baum in der Mitte. Die Steigungen sind besorgniserregend. Auf dem Weg in die Stadt hab ich zwei Druckausgleiche benötigt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich noch keinen Rolli und keinen fetten Menschen gesehen hab. Bergauf wünsch ich mir 12cm-Highheels. Gibt’s aber leider nirgends in 47.

Die Häuser auf den Hügeln sind jedes einzelne für sich einzigartig. Aber in der Gesamtheit bilden sie ein wunderschönes Ensemble. Individualität drückt sich nicht einzig in der Wahl unmöglichster Tür- und Fensterkombinationen aus wie in München Neuperlach. Sie drückt sich in jedem einzelnen Teil aus. Das gibt ein einzigartiges harmonisches Ganzes. Viele Alternative wohnen hier, das Viertel wird von Immobilienhaien bedroht. Hochhäuser gegen maximal zweigeschossige Einfamilienhäuser. Ich hoffe das beste und habe Angst um Entenhausen auf dem Hügel.

Alles ist bunt gemischt: Crackdealer neben Kirche neben Wahlstudio neben Musikstudio neben Familienhaus. Im Supermarkt gibt es neben dem üblichen an die 200 verschiedene Sachen aus Gläsern zu kaufen, zum selberabpacken: Getreide, getrocknete Früchte, Kaffee, Nüsse, Mehl, Gewürze und Tee. Für einen Einkauf, der mich zuhause 5 Minuten gekostet hätte brauche ich hier fast eine Stunde. Und jeder neue Geruch inspiriert. Ich koche zweimal, und freu mich sackrisch, dass es Megan schmeckt.

Nach einem Tag Ruhe leihe ich mir Megans Rad und fahre in den Discovery Park. Es regnet. Und die Berge sind Hölle, vor allem wenn man sich zwecks fehlender Karte ständig verfährt. Doch kein Weg ist umsonst. Der Discovery Park ist ein pazifischer Nebel-Urwald, vollkommen einsam und verlassen und trotzdem gerade mal 4 km vom Stadtzentrum entfernt – in der Horizontalen gemessen. Am Leuchtturm pfeift mich ein verirrtes Murmeltier an.

Auf dem Rückweg geht’s am Pike Street Market vorbei, das reinste Hippier-Hallodrio mit den verschiedensten kleinen netten Shops. Drum herum gibt’s ein paar dunkle Ecken. Dealer gehen ihren Geschäften nach, Prada-Dandies ziehen direkt dran vorbei. Bunteste Kontraste auf engstem Raum, überall. Tom Morello von Rage Against the Machine spielt heute Nacht im Crocodile Club. Leider ausverkauft, klar bei 16$ Eintritt.

Das beeindruckendste Überhaupt ist mein Host Megan. So viel gemacht, so viel erlebt, so viel erreicht. Musik, Schreiben, Cafe, Mangement, Consulting, Reisen. Und so sehr auf dem Boden wie eine 500-jährige Eiche, so sicher auf dem richtigen Weg wie ein 1,5-Meilen Kohlezug in den Sand Hills. Großartig ohne jeglichen Anflug von Größenwahn. Unglaubliche Kombination. Zum ersten mal seit langer Zeit fühl ich mich mit meinen 1,93m richtig klein. Aber: es stört nicht. Berge sind halt nun mal groß.

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