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Eine gute Nacht: Geschichte

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#168
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2008
Sa
15:27
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An meinen vorletzten Tag in Christchurch erreiche ich doch noch Bosco, den Schwarzwald-Pirat von Mana/Fiji. Er ist schon vor ein paar Monaten nach Neuseeland umgezogen. Seitdem friert er ziemlich. Mitten im Neuseeländischen Hochsommer kommt er mit einer dicken Felljacke abends bei mir im Hostel vorbei. Ich grüße ihn herzlich von 100 Leuten, die ich auf der Reise traf. Bosco ist wohl sowas wie eine Legende unter Weltreisenden.

Ich freu mich zu sehen, dass es ihm gut geht. Anscheinend trinkt er nicht mehr ganz so viel wie auf Mana. Auf der Stelle ändern wir diese Angewohnheit. Nach ein paar Runden Vorglühen dackeln wir ins Stadtzentrum. Erster Club: Dux de Lux. Biergarten, Bar und Konzert. Die sieben Jungens der Retrodelic Funk Machine heizen ordentlich ein. Der ganze Raum dampft.

Leider macht das Dux gerade zu, als wir langsam in Fahrt kommen. Die nächtliche Philosophenrunde muss deswegen in einen nahegelegenen Irish Pub verlegt werden. Wir sitzen draußen und schlürfen Guinness. Bosco das erste seines Lebens. Sagt ein Mädel vom Nebentisch: “Hi, kennst mich nimmer?” Würde sie mich kennen, wüsste sie um mein Gesichtergedächtnis.

Nach einem Satz fällt der Groschen: Ach ja, das ist die Strip-Dancerin aus Edinburgh. Waren mit einigen Leuten in Invercargill unterwegs. Sie hatte vor einigen Wochen einer wohl etwas unverschämten Bedienung in Christchurch ein Bier ins Gesicht gekippt. Nüchtern, wie sie betonte. Ich frage mich, was es zu erleben gäbe, würde man mit ihr mal richtig weggehen. Das ganze ging vor Gericht. Der Termin war heute und kostet sie am Ende 150 NZ$. Also 157, wenn man das verschwendete Bier mit einrechnet.

Gegen Eins geht’s weiter. Ein trauriger Straßenmusikant spielt einen sehr schönen Song auf der Gitarre. Ich kenn ihn nicht, also frag ich: “Von wem issn der?”. Darauf er:” Von mir. Meine Freundin hat mich letzte Woche verlassen.”. Jetzt spielt er sein Leid raus. Finde ich ne sehr progressive Art, mit Schmerz umzugehen. Ein Teil vom Song: “Strangers to lovers and lovers to strangers”. Ich empfehle eine Änderung in “Strangers to love and lovers to strangers”, was ihm glaub ich ganz gut gefällt.

Auf dem Weg zur nächsten Bar diskutieren wir darüber, warum es in Christchurch mehr Stripclubs und Massagesalons als Bars gibt, und kommen zu dem Schluss, dass wir beide noch nie in einem waren. Genau in diesem Moment drückt uns eine Nachtgestalt zwei Gratiseintrittskarten in die Hand. Soll ich an Zeichen glauben? Oder zu meinem Grundsatz stehen, dass Essen immer noch zum Essen da ist, nicht zum anschauen?

In der nächsten Bar rockt sich wieder eine Band die Seele aus dem Leib. Nicht besonders gut, aber ist wieder ein Irish Pub, sprich: merkt bei dem Pegel eh keiner mehr. Wir hüpfen noch ein bisschen rum, aber irgendwie bin ich so gegen drei recht kaputt. Boscos Frau hatte ihm versprochen, ihn abzuholen, wohnt ein paar Kilometer außerhalb. Naja…dass es nach drei werden würde konnte sie ja nicht wissen. Keiner hebt ab.

Also sitzen wir am Cathedral Square. Drei Polizisten nehmen eine betrunkene 14-jährige in Gewahrsam. Ein paar Kinder skaten und führen sich ihre besten HipHop-Posen vor. Die Penner pennen. Ein Mann in Militäruniform berichtet von seiner Gerichtsverhandlung wegen einer Schlägerei. Das merkwürdigste in dieser Nacht: um drei quatsch ich mit ein paar Briten. Sie waren noch nüchtern.

Ich liebe Gute Nacht Geschichten.

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Ein Kommentar

  • Moritz Bauer schreibt am Mittwoch, 30.10.2013 um 10:12 Uhr:

    Coole Geschichte :) Christchurch rockt. Mehr davon!

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