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Riders on the storm

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2009
Sa
17:05
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Ich geh mit einigen Leuten vom Kurs los auf eine wilde Nacht. Viele Bars werden’s nicht. Wir bleiben bis drei Uhr in der gleichen wunderschönen Marmalade Bar hängen. In Barcelona lernt man ohne weiteres pro Stunde 10 Leute aus 20 Nationen kennen. Alles ist bunt gemischt, es gibt Geschichten aus der ganzen Welt.

Am nächsten Morgen wackelt die Welt. Klar, war ja ne heftige Nacht denke ich. Aber das ist es nicht. Das Haus wackelt wirklich. Der angekündigte Sturm ist mit Spitzen weit über 100km/h in Barcelona eingefallen. Morgennachrichten: vier Menschen starben, drei wurden ins Meer gerissen, hunderte Notfälle, Chaos. Ich geh auf die Straße. Der Sturm spielt Roller-Domino. Die längste Reihe, die ich gesehen hab bestand aus sieben umgefallenen Rollern.

Die Bäume biegen sich, die Laternen schwanken, überall fliegen Planen durch die Luft, mitten auf der Straße stehen schwere Müllcontainer. Die UBahn ist voller Laub, Schirme zerreissen, Rolladen werden aus den Verankerungen gerissen. Ich geh auf den exponierten Montjuic und bin sehr froh mein Auto noch unerschlagen vorzufinden. Ein junger Montpellinese begleitet mich ins 30 km entfernte Castelldefels.

Einige der großen Brücken-Schilder über der Autobahn sind umgeknickt. Auf der Autobahn geht nichts mehr. Neben der Landstraße liegen umgeblasene Laster, kaum ein Schild steht noch. Das Auto wackelt im Sturm. Überall beseitigt die Feuerwehr auf die Straße gekippte Bäume.

Eine Telefonzelle wurde von einem Baum erschlagen. Eine Straße weiter hat eine große Kiefer ein Auto begraben und eine Mauer eingerissen. Nachbarn helfen sich beim Zaunfixieren. Bäume liegen mit den Füßen nach oben im Park. Den Busbahnhof von Castelldefels hat der Sturm komplett niedergemäht. Stormleitungen sind gerissen, sie tanzen auf den Straßen. Naturgewalten wie nie zuvor gesehen. Welch ein Tag zum Kiten!

Der Strand von Castelldefels ist der Kitespot der Barcelonesen. Heute fliegt hier der Sand und das Wasser durch die Luft. Der Turm des Nautic-Clubs hat kaum mehr Fenster. Ein Großteil des Daches fehlt ebenfalls. Davor liegen umgekippte Katamarane. Das Meer kocht. Naturgewalten schlagen alles kurz und klein.

Meine Hand zittert vor Angst. Der Wind weht hier sideshore mit durchschnittlich ca. 50 km/h, allerdings haben die Böen dazwischen bestimmt über 80 km/h. Zwei Surfer sind mit Segeln in doppelter Taschentuchgröße draußen. Ich hab nur einen Kite. Cabrinha Crossbow 12m². Und weiss: das ist viel zu groß.

Trotzdem will ich’s riskieren. Ein kurzer Höllenritt und dann wie ein Cowboy vom Stier abspringen. Ich bau den Kite auf, lege die Leinen an. Die Angst wächst. Ich zweifle. Ein Surfer kommt vorbei und erklärt mich für lebensmüde, ich solle bloß nicht rausgehen. In dem Moment kommt noch eine mächtige Böe, die mich endgültig überzeugt. Dies wäre ein Kite-Tag, von dem man noch seinen Urenkeln berichten könnte. Man muss es halt nur noch können. Ich packe ein.

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