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Honduras Roadkill

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2015
Mo
21:55
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Unser Roadtrip über 750 km quer durch Honduras beginnt um zwei Uhr Morgens nahe der Grenze im Nicaraguanischen Leon. Ich geb nicht viel auf Geschichten. Ich reise. Suche die Wahrheit. Und schreibe dann darüber. Honduras ist die zweite Ausnahme in bisher knapp 80 bereisten Ländern. Ausnahmslos jede Geschichte über Honduras riet von einer dreitägigen Durchquerung mit öffentlichen Bussen ab.

Ich buche einen Nonstop-Trip mit dem Minivan für 80$. An der Grenze nach Honduras erhält das Dachgepäck um fünf Uhr morgens einen Regenschutz.  Ein vielgereister Ami belehrt mich eines besseren: “Wäre keine Plane über dem Gepäck, würde es an Ampeln stehend direkt vom Dach geklaut werden”, erzählt er mir, während ich zu grenzüblichem Mist-Kurs einige Dollar bei einem Mann mit einem zehn-Zentimeter-Bündel Lempiras wechsle.

Direkt hinter der Grenze wird die Straße über 100 km zu einer einzigen Schlagloch-Slalompiste. Der Fahrer hat Carving-Reifen, das Schlagen der Köpfe gegen die Scheiben ist der Wecker. Am Grunde eines Schlaglochs meine ich einem Usbeken direkt in den Hintern schauen zu können, und ab und an verschwinden Kleinwagen in einem auf Nimmerwiedersehen. Minivans sind aber sicher, die haben einen größeren Radstand.

Der Weg führt hoch ins Gebirge und durch die angeblich gewalttätigste Stadt Honduras. Der öffentliche Busbahnhof liegt auch noch im schlimmsten Stadteil Tegucigalpas. Ich fahre froh mit zehn weiteren permaschweigenden Reisenden duchs Honduranische Gebirge.

Das Gebirge ist abwechslungsreich und schön. Pinien wachsen an den Hängen, Wolkenschatten streifen darüber, und am blauen Panamaca-See bliese sogar guter Wind zum kiten über grün begraste Startplätze. Aber was hilft das schon? Aufgrund der einmaligen Fähigkeit Honduranischer Selbstmörder, Tatwaffen post mortem zu entmaterialisieren, hat dieses Land die höchste Selbstmordquote weltweit. Extremsport wird da langweiliger als Wetthäkeln – und Kekswichsen zu einer moralisch einwandfreien Freizeitgestaltung des Landjugendrings.

Honduras erzählt mir seine Geschichte gefiltert duchs abgedunkelte Busfenster: Praktisch jedes Haus ist ein Gefängnis. Alle Fenster und Türen sind vergittert. Schulen sind von hohen Mauern umgeben. Die Design-bewusste Oberschicht setzt gerne noch rosa bepinselten Stacheldraht oben drauf.

Entfernungen misst man aufgrund der Schlagloch-Kurven am besten in Tonnen Müll. Ein Kilometer entspricht genau 836 kg Müll, pro Straßenseite versteht sich. Dazwischen liegen massig zerfetzte Autowracks.

Wer Actionfilme mag, wird Honduras lieben. Quietschende Reifen kommen uns auf der anderen Fahrspur entgegen. Zunächst verkrampfe ich mich etwas. Sah so aus, als würde der Truck uns streifen. Aber ois easy. Überschlug sich hinter uns nur ein paarmal im anderen Straßengraben.

Der Fahrer des Trucks in einer Unfallstelle ein paar Stunden weiter hatte weniger Glück. Selbst Evil Kneivel wäre aus dem Wrack nicht mehr lebend rausgekommenn.

Unser Busfahrer heizt neun Stunden lang relativ moderate 130km/h Spitze und drängt auf durchgezogenem Mittelstreifen überholend nur zwei entgegenkommende Autos von der Straße ab. Also nur beinahe. Ois easy.

Der direkt darauf überholende Truckfahrer war hingegen definitiv ein direkter Nachfahre von Ivanhoe: um Haaresbreite reitet er mit weit über 100km/h zwischen Laster und Gegenspurokkupanten durch. Keiner hupt. Zwischen rauchenden Müllfeuern beobachten gelangweilte Anwohner das Turnier. Ois easy.

Auch die dritte Tankstelle zieren wieder “Waffen verboten” Schilder. Die Pumpguns der zwei Wächmänner dahinter vermitteln mir Sicherheit. Vor dem Fotografieren derselbigen frage ich vorsichtshalber trotzdem um Erlaubnis.

Bei einem kurzen Stop in der angeblich zweitgewalttätigsten Stadt Honduras, La Ceiba, verwirren mich die panischen Blicke der Reisemonchichis aus dem Businneren etwas, während ich heldenhaft eine Zigarette rauche.

Am Hafen sehe ich nach 13 h und 600 km Reisen durch Honduras heute zum ersten mal Gringos. Auf der eineinhalbstündigen Überfahrt mit der schnellen großen Fähre zelebrieren die Honduraner ihre tiefe Religiosität. Von bis zu drei Metern Seegang und heftigem Rollen angefeuert betreibt ein Viertel aktive Frühstücks-Reinkarnation. Ois easy.

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