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Blumen im Kriegsgebiet

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2008
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Um sechs Uhr morgens brechen wir auf mit dem Bus nach Dong Ha, der letzten größeren Stadt vor der Demilitarized Zone. Wir wollen einen ganzen Tag die ehemalige Grenze zwischen Nord- und Südvietnam und einige der schlimmsten Schlachtfelder des Krieges besichtigen. Nach Zwei Stunden sind wir in Dong Ha, 30 Minuten später hab ich ein Zimmer, gefrühstückt, ein Motorbike und Jörg sein Abendticket nach Hanoi.

Wir wollen in keiner Gruppe reisen, gönnen uns für 15$ einen Tag einen Privatführer. Quang ist 50 und hat den Krieg miterlebt. Die Hoffnungen waren hoch, doch vor dem ersten Panzer packt er erst mal Geschichten von glorreichen Vietcong-Konkubinen aus, die GIs abmurksen. Mag so gewesen sein, aber er bringt das alles recht komisch rüber.

In Doc Mieu war eine der amerikanischen Firebases hinter der Demilitarized Zone. Ein alter Panzer am Rande eines mit vielen Löchern übersäten Feldes. Arme Menschen graben hier immer noch nach Metall. Die Blumen sind auffallend schön, die Granaten unauffällig scharf.

Einen Hügel weiter schauen wir hinab in die Demilitarized Zone beidseits des Ben Hai. Keine Gegend der Welt war je höher aufgerüstet. Die Bombenkrater sind wieder unter quadratischen Reisfeldern versteckt. Noch heute sterben hier jährlich einige hundert Menschen an Blindgängern. Das Kriegsdenkmal auf dem Hügel ist recht brutalistisch, der Stein huldigt eher dem Krieg denn dem Frieden.

Mit den Bikes fahren wir durch das Tal. War es hier, wo das Mädchen mit der verbrannten Haut vor den Napalmbomben davonrannte? Es sieht so aus. Wasserbüffel. Strommasten. Schulkinder in blauen Uniformen winken uns zu. Das einzig tödliche ist wie immer der Verkehr.

Über kleine Feldwege geht es weiter nach Vinh Moc. Als sich die Bewohner Ende 1968 auf einmal in einer der am schwersten bombardierten Gegenden der Welt wiederfanden, gruben sie Tunnel in die Erde. Die gibt es noch heute. Fast unverändert ziehen sich insgesamt 2,8km in drei Ebenen bis zu 23m Tiefe durch den steinharten roten Lehmboden.

Wir werden zu Tunnel Rats. Die Luft dampft, die Gänge sind niedrig. 17 Kinder wurden hier in unglaublicher Enge geboren. In der Endphase des Krieges nutze auch der Vietcong die Gänge, um Material vom Strand ins Landesinnere zu schaffen. Wieder am Tageslicht sehen wir massig Bombenkrater.

Über kleine schlammig-rutschige Feldwege geht es 30km weiter zum Nationalfriedhof von Truong Son. Wieder brutale Marmorfiguren in der Mitte von 25.000 toten Vietcong-Soldaten. Zwischen den Gräbern liegt Spielgeld, Dongs und Dollars. Quang versteht nicht, dass ich zumindest die Dollars recht makaber finde. Was würden die Toten wohl sagen, wenn sie wüssten, dass sie den Fährmann mit dem Geld des Feindes bezahlen sollen?

Ein Schild weist auf den Ho Chi Minh Trail hin. Unter dem Highway geht ein kleines Stück geteert unauffällig gen Süden. Unsere gemeinsame Tour endet am Rockpile, einem Marine-Camp auf der Spitze eines steilen Berges. Jörg fährt mit Quang zurück nach Hong Da, will seinen Bus nach Hanoi nicht verpassen. Ich heize mit Quangs kräftiger Suzuki noch weiter.

Nach 60km komme ich auf einem Bergrücken in Khe Sanh an. 1968 starben hier binnen einer Woche mehr als 15.000 Menschen in einer der blutigsten Schlachten des Krieges. Zu sehen gibt es praktisch nichts. Ein dummes Museum, zwei nachgebaute Bunker, ein paar abgeschossene Hubschrauber. Schöne Berge und Blumen.

Durch den einsetzenden Regen heize ich wieder hinab ins Tal, einen Fluss entlang, an Pfahlbauten vorbei zurück nach Dong Ha. Am nächsten Mittag holt mich Quang nochmal ab. Noch ein Friedhof, noch ein Museum, dann nach Quang Tri, wo 1972 90 Tage lang soviel gekämpft wurde, bis von der alten Stadt nur noch Staub übrig war. Kaputt. Zurück nach Hue im 10er-Minibus mit 16 Fahrgästen und drei Bananenstauden.

Vietnams Geschichte ist so blutig, dass es sie vergessen musste um weiterzuleben. Alles was an den Krieg erinnerte wurde vernichtet. Vietcong-Soldaten beerdigt, einzig Südvietnamesische Soldaten wurden bis heute liegengelassen. Gras und Blumen wachsen über die alten Schlachtfelder.

Mich stört, dass Vietnam den Krieg touristisch so sehr vermarktet, ohne dass es wirklich was zu sehen oder zu hören gibt. Keine Bilder, keine Geschichten, dumme Museen. Der Krieg bleibt mir fern, ich hab nix gelernt. Wie immer wenn ich hohe Erwartungen hatte wurden sie enttäuscht. Hätte einfach einen Teil des Ho Chi Minh Trails wandern sollen.

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2 Kommentare

  • Carin schreibt am Donnerstag, 15.5.2008 um 15:43 Uhr:

    Was tot ist, bleibt tot. Mit all diesen verwüstenden Kriegen, die so vie Leid bringen, braucht man tatsächlich kein Geschäft machen.

  • Naddel schreibt am Donnerstag, 15.5.2008 um 22:14 Uhr:

    hi frank,
    ich find auch, dass die Leute so viel Leid erlebt haben das sie gar nicht daran erinnert werden wollen.
    Zu deinem Europatrip, ja klar bring ruhig dein Bike mit. Vielleicht haben Tom u Christiane ja auch bock uns zu besuchen. genieß deine restlichen tage. sonnige grüße aus am allgäu nadine

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