Lipsi ist die kleinste Insel unserer Tour. Besiedelt seit der Bronzezeit diente Lipsi über Jahrhunderte einzig als Ziegenweide für das Kloster auf der größeren Nachbarinsel Patmos. Heute hat Lipsi gerade mal 700 Einwohner und schenkt als einziger Ort in weitem Umkreis seinen 8.000 Übernachtungsgästen pro Jahr Wasser in Glasflaschen aus.
Man hat sich dem Ökotourismus verschrieben. Daher sind auch Plastik-Sonnenstühle sowie Jetskis verboten. Als einzige Insel der Dodekanes praktiziert Lipsi Mülltrennung. Unseren grünen Punkt gibt es seit über 30 Jahren – und genauso lange dulden wir dass 60% in der Müllverbrennung zum „thermischen Recycling“ landen. Auf Lipsi scheint all der wunderbar getrennte Müll analog auf einer einzigen schlecht gesicherten Müllkippe zu landen – mit einem traumhaften Ausblick auf die Ägäis.
Gräbt man nur ein klein wenig tiefer kommen noch viel dreckigere Punkte ans Licht. Obwohl der Wind hier oft und stark bläst wird der Strom nicht mit Windkraft- oder Solaranlagen generiert. Er kommt über Unterseekabel aus einem Ölkraftwerk auf Kalymnos. Das bei weitem für die Besucherzahlen nicht reichende Brauchwasser liefern Tankschiffe aus dem fernen Rhodos an.
Ich gehe mal wieder zur Polizei. „Wo darf ich auf Lipsi legal kiten?“ lautet die Frage. Er versteht kein Englisch. Ich zeige ein Bild. Er gibt mir das Halsabschneider-Zeichen, zusammen mit einem sehr aggresiven „No!“. Seine Körpersprache und Mimik würde ich eher von einem ISIS-Extremisten erwarten, dem man gerade mitgeteilt hat, dass er den ersten Preis in der großen Griechischen Rektal-Fisting-Lotterie gewonnen hat – und der Hauptgewinn jetzt unmittelbar ausgezahlt wird. Die Beamtin der ebenso befragten Küstenwache direkt nebenan ersteilt zwar ein ebenso bestimmtes nein, aber bleibt wenigstens freundlich.
Einen Tag lang bin ich echt mies drauf. Die Lipsiden sind sowas von falsche pseudo-Ökos. Windsufen und Seayak werden geduldet. Jetski ist verboten. Was wird gerade vor der einzigen Tanke der Insel zu Wasser gelassen? Klar, ein Jetski. Rund um Lipsi ankern mehreren Motoryachten von über 30 m Länge. Verbrauch auf 100km so ab 200l Diesel. Laute Quads, alte rauchende Roller, Autos? Erlaubt, aber klaro! Was ist als einziges überall verboten, trotz genügend einsamen geeigneten Stränden ohne Badende? Der ökologischste Sport überhaupt. Kitesurfen.
Zum Abschied trinken wir frischen Orangensaft in einem Cafe. Ein Hund hebt sein Bein und pisst auf meinen Kitebag. Hier passt wirklich alles zusammen.